Micha Brumlik Gott und die Welt
: Weihnachten –
Fest der Götter und Künste

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Es weihnachtet – und auch die Götter Griechenlands scheinen zurück zu sein: Sei es in Neil MacGregors ­Prachtband „Leben mit den Göttern“, in Bernd Wittes provozierender Studie „Moses und Homer“, der die Rezeption der Götter Griechenlands in der Weimarer Klassik als Ursache des deutschen Antisemitismus identifiziert, oder in Robert Knapps Studie zum mediterranen Polytheismus, „Pilger, Priester und Propheten“, sowie in Stephen Frys illustriertem Buch „Was uns die Götter heute sagen.“

Über dieser Fülle von Neuerscheinungen wurde eine höchst erhellende Untersuchung übersehen: „Als die Künstler Götter waren“, verfasst vor mehr als einem Jahr von der Autorin Irene Tobben. Vergnüglich und kenntnisreich erläutert die Religionshistorikerin die griechischen Göttergeschichten. Schnell wird klar: Anders als der bibli­sche oder koranische Gott taugen diese Götter zu allem, aber nicht dazu, moralische Weisungen zu erteilen, sind sie doch selbst fehlerhaft, rachsüchtig, lüstern, allemal bereit, sich mit Menschen zu paaren oder sie unbarmherzig zu verfolgen.

Unbesiegbarer Sonnengott

Die Fallhöhe zwischen den im achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung niedergeschriebenen homerischen Mythen hier und den weitere 400 Jahre zuvor verfassten biblischen Schriften dort kann man sich an den Mythen über die Entstehung der Welt klarmachen. So heißt es zu Beginn der Bibel: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Tatsächlich kennt auch die Ilias in etwa diese Schöpfungsgeschichte, doch wird sie dort nicht als Tatsache präsentiert, sondern als Kunstwerk. Auf Bitten seiner Mutter, der Meeresgöttin Thetis, schafft der hässliche und gleichwohl göttliche Schmied Hephaistos dem vor Troja kämpfenden Achill einen neuen Schild: „Aus fünf Schichten gedrängt war der Schild selbst; oben da­rauf nun / Bildet’ er mancherlei Kunst mit erfindungsreichem Verstande. / Drauf nun schuf er die Erd’, und das wogende Meer, und den Himmel, / Auch den vollen Mond, und die rastlos laufende Sonne.“

Ist daraus zu schließen, dass auch die biblische Schöpfungsgeschichte nur Poesie ist, oder gilt umgekehrt, dass die Griechen Kenntnis der biblischen Schriften hatten …? Immerhin lebten Griechen damals auch in Gegenden, die heute als „Naher Osten“ gelten. Die Antwort muss offenbleiben, lenkt aber den Blick zurück auf Weihnachten, das doch viel weniger biblisch ist als stets vermeint. Gewiss: Das Evangelium des Lukas schildert die Weisen aus dem Morgenland, Maria und das Kind sowie die Hirten auf dem Felde. Indes: Dass sich das alles im Winter ereignete, steht nirgends. Dass Weihnachten im Winter gefeiert wird, geht auf den im vierten Jahrhundert wirkenden Kaiser Kon­stan­tin zurück, der das Fest des von ihm verehrten Sonnengottes religionspolitisch geschickt umfunktionierte: Weihnachten war ursprünglich das Fest des „Sol invictus“, des unbesiegten Sonnengottes: das Fest der Wintersonnenwende. Ohne diese Bezüge zu erwähnen, macht Irene Tobben klar, dass der griechische Gott der Künste, Apollon, auch der Gott der Sonne war – ein Gott, der den Musen vorstand und für sein Leierspiel und seine bildnerischen Fähigkeiten verehrt wurde.

Wen wundert es also, dass zur Weihnachtszeit die Künste gepflegt werden: vom heimischen Instrumentalspiel bis zum Besuch Bach’scher Oratorien. Kunst, Geburt und Kinder: Es war der Berliner Daniel Friedrich Schleiermacher, dessen 250. Geburtstag kürzlich begangen wurde, der über die Weihnachtsgeschichte sagen lässt: „Kurz, der erfahrungsmäßige, geschichtliche Grund ist so schwach, dass unser Fest dadurch umso mehr verherrlicht wird […] daß es in die Häuser eingeführt worden und unter die Kinder.“

Micha Brumlik ist Mitarbeiter am Zentrum für jüdische Studien in Berlin.