Mit Drohne Ornament feiern

Raphaela Vogel greift mit ihrer Ausstellung„Son of a Witch“ in der Berlinischen Galerieauf das Festival „Videoart at Midnight“ voraus

Von Tom Mustroph

Bekannt wurde die 1988 in Nürnberg geborene und inzwischen in Berlin lebende Künstlerin Raphaela Vogel durch ihre Versuche, sich selbst mit einer Drohne zu filmen. Mit einem Seil hält sie dabei Verbindung mit dem Flugobjekt, ist mit ihm physisch verknüpft, bildet gar eine neue hybride Lebensform.

Die Drohne taucht auch im jüngsten Werk „Son of a Witch“ auf. Hier allerdings eher als ein archaisch anmutender Schatten. Die Rotoren eines Quadrocopters werfen im Video ihre zuckenden Schatten auf den Körper der Performerin. Anfangs wirkt der Körper nur als Projektionsfläche für die Silhouette des Flugobjekts. Bei längerem Betrachten verkehren sich aber die Verhältnisse. Der menschliche Körper wirkt wie in Besitz genommen, geradezu besessen von dem mechanischen Tier. Der Schatten wird dann wie zu einem Röntgenbild, scheint das Innere, der Kern der Person zu sein.

Spezialität Verwandlungen

Vogels Spezialität sind die Verwandlungen, das Arrangieren von Objekten zu Bildern. Sie operiert mit Perspektivwechseln und dem Spiel mit Nähe und Distanz. Gigantische Kreisverkehre, von oben aufgenommen, können sich bei ihr zu bewegten Ornamenten transformieren, die ihrerseits mit einem um eine Stange rotierenden Bett korrespondieren. Zentrales Thema von „Son of a Witch“ ist dann auch der Aufenthalt im eigenen Bett. Vogel führt hier Elemente des Wartens ein, des Verharrens und Ausruhens. Schnell jedoch wird wieder in den Produktivitätsmodus umgeschaltet. Das Pausieren geht ins Brüten, Ausbrüten und Gebären über. Vogel spiegelt dann das Bett, spiegelt sich selbst darin und verändert sich durch die Verdopplung.

Diesen Bildstrom installiert sie in einem großformatigen Gebilde. Metallstangen, die auf geöffneten Händen ruhen, erheben sich in die Lüfte und formen einen Körper. Vogel beschreibt diesen Körper selbst als ein Zelt, eine „nomadische Kathedrale“. Die Stangen könnten aber auch Rippen sein und einen tierischen Körper formen. Die Stelle, an der die Videoprojektion läuft, wäre dann das Wahrnehmungszentrum, das Nervensystem.

Mit großer Geste

Vogel operiert hier mit großer Geste. Sie bricht aus den schwarzen Boxen der herkömmlichen Videokunst aus. Das ist durchaus verdienstvoll. Sie hat bei dieser Außenposition der „Videoart at Midnight“ in den opulenten Räumen der Berlinischen Galerie auch die Gelegenheit dafür. Freilich wirkt dieses Ausgreifen auch ein wenig unsicher. Außer seiner Größe hat die „nomadische Kathedrale“ kaum weitere Qualitäten; man mag sie nicht mit dem Über­wäl­ti­gungs­aspekt gotischer Kathedralen in Verbindung bringen. Einlass erhält man durch ein Ziertor, das aus Drachen und weiteren Fabelwesen gebaut ist. Vogel feiert hier, wie auch in ihrem Video-Werk, das Ornament. Das ist ein gewaltiger Kontrast zur aktuellen Hauptausstellung in der Berlinischen Galerie über die „Kunst der Novembergruppe 1918–1935“. Man blickt ausgerechnet von Baumodellen Mies van der Rohes und dem ikonischen Entwurf der Olex-Tankstelle von Rudolf Belling auf Vogels Drachentor. Kontrapunktisches Kuratieren – ein schöner kleiner Nebenreiz. Das Festival „Videoart at Midnight“ wird am 12. Dezember mit einem Symposium in der Akademie der Künste eröffnet. Die Filmscreenings finden vom 14. bis zum 16. 12. im Kino Babylon statt.

„Son of a Witch“: Berlinische Galerie, bis 11. 3. 2019

„Videoart at Midnight“: 12. bis 16. 12. im Kino Babylon, Hamburger Bahnhof, Neuer Berliner Kunstverein (n.b.k.), KW Institute for Contemporary Art, Berlinische Galerie, Galerie Pankow, Akademie der Künste