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Alle werden satt

Koschari verbindet die halbe Welt und mehrere Religionen. Es ist bewährt und vegan, dazu schlicht und billig wie Kartoffelsalat mit Würstchen. Karnivoren bekommen ein Extraschälchen mit Hühnerschenkeln

Ägyptisches Streetfood, beliebt bei Veganern und Karnivoren Foto: Alamy/mauritius images

Von Lisa Shoemaker

Mitte der 80er Jahre kam meine Mutter von ihrer ersten Indienreise zurück und antwortete auf die Frage, wie es denn gewesen sei, strahlend: „Ich bin gluten- und laktoseintolerant!“ Im Gegensatz zur Semmelknödel-Obatz­den-Küche ihrer bayrischen Heimat waren ihr Reis und Hülsenfrüchte hervorragend bekommen. Damals wusste nicht einmal ihre Ärztin, was Gluten ist, und Mama war glücklich, sie aufklären zu können. Mir als Familienköchin standen jedoch harte Zeiten bevor. Vor jeder Familienfeier musste ich einen Speiseplan einreichen und wurde penibel verhört, welche Zutaten ich zu verwenden gedachte.

Inzwischen sind solche Situationen Alltag. Wurden früher Nörgler mit dem Spruch: „Gegessen wird, was auf den Tisch kommt“ abgespeist (oder eben nicht), so können diese vermeintlich heiklen ­Mitesser heute gute gesundheitliche oder weltanschauliche Gründe dafür ins Feld führen, warum sie etwas nicht essen wollen. Und dieses Jahr kommt die Weltuntergangskeule hinzu: Wir haben noch 12 Jahre, um die Welt zu retten, wenn wir aufhören, zu fliegen (mmh), den Stromanbieter wechseln (schmerzlos), unser Geld einer nachhaltigen Bank anvertrauen (die fördert garantiert nicht Monsanto) und weniger Fleisch essen (autsch!).

Was tun? Einen Tofurky basteln – in den USA kann man riesige Tofu-Truthähne fertig kaufen – und das Ungetüm unbeirrbaren Karnivoren als Festschmaus vorsetzen?

Liebe Veganer, das tue ich nicht. Aber ich verstehe euren Unmut darüber, immer nur Beilagen zu essen – wenn nicht auch noch die Bohnen mit Speck und die Erbsen in Butter geschwenkt sind. Ich koche gelegentlich für Seminare, wo ich mich schützend vor den vegetarischen Buffettisch stellen muss und die Fleischfresser verjagen, die nicht einsehen wollen, dass Fleischabstinenzler ihre eigenen Schüsseln haben. „Uns schmeckt das doch auch!“, heißt es dann oft. Erst wenn ich flöte: „Na, dann kann ich ja ab jetzt nur vegetarisch kochen!“, trollen sie sich. Also habe ich den Spieß umgedreht und koche Mahlzeiten, deren Basis vegan ist. Die Karnivoren bekommen Extraschüsseln, die ich nicht gegen die Veganer verteidigen muss.

Weil ich glaube, dass traditio­nelle Speisen, die eine lange Bewährungsprobe hinter sich haben, die besten sind, habe ich mich in den Küchen der Welt umgeschmeckt und dabei Koschari entdeckt, das Streetfood in Ägypten. Es ist vegan, schlicht und billig wie Kartoffelsalat und Würstchen, ursprünglich ein Fastengericht der christlich-koptischen Minderheit. Kulinarisch geht es auf das indische Khichdi zurück. Britische Soldaten importierten es zu Empirezeiten, weshalb es wohl auch mit dem englischen Kedgeree verwandt sein dürfte (gelber Reis mit Erbsen und Räucherfisch). Somit wären die halbe Welt und verschiedene Religionen eingebunden, ideal also für Heiligabend. Koschari passt auch in den gegenwärtigen Trend der nahöstlichen Küche, Ottolenghi lässt grüßen.

Es besteht aus:

– gekochten Nudeln (am besten kleine Ellbogennudeln);

– gekochtem Reis (am besten nimmt man einen Basmati aus Bioanbau, denn Reis ist unter den Sättigungsbeilagen infolge seiner Anbauweise die mit dem größten ökologischen Fußabdruck)

– gekochten Linsen (bevorzugt von der edleren Sorte; sie sind unschwer an Namen wie Champagner, Beluga usw. zu erkennen)

– und aus Tomatensoße, getoppt mit Röstzwiebeln und Kichererbsen.

So weit, so einfach. Klingt nicht sexy? Die Kunst liegt in der Zubereitung der Tomatensoße. Dazu gehackte Zwiebeln (pro Dose Tomaten 1 Zwiebel) in Olivenöl 15–20 Minuten über einer kleinen Flamme anschwitzen, sodass sie nur leicht Farbe annehmen. Wer es süß mag, raspelt eine Karotte ­hinein. Sind die Zwiebeln so weit, kommen die Tomaten dazu. Pro Person mindestens eine halbe Dose. Salzen und mindestens eine halbe Stunde köcheln lassen, bei Bedarf etwas Wasser ­angießen. Mit Knoblauch, Kreuzkümmel (gern mit Gewürzmischungen wie Ras El Hanut oder Baharat), Rotweinessig und Chili würzen. Das Ergebnis: eine schmackhafte sauer-scharfe ­Tomatensoße.

Da die Tomatensoße umso besser wird, je länger sie köchelt, sollte sie zunächst vorsichtig gewürzt und erst beim letzten Abschmecken perfektioniert werden. Wem sie zu sauer ist, könnte jetzt auch noch etwas Zucker oder besser noch Dattelsirup hinzufügen.

Abweichend von der Tradition, serviere ich Koschari gern mit 10 Prozent türkischem Joghurt, angemacht mit Tahin, Olivenöl, Salz und Knoblauch.

So wird Koschari zum Grundbaustein des Festschmauses. Für die Karnivoren kann man nun etwas von der Tomatensoße abnehmen und darin ca. 40 Minuten lang Hühnerschenkel schmoren (keine Brust!). Und für die Vegetarier könnte man noch mit Nüssen und Trockenfrüchten gefüllte Auberginen zubereiten. Da findet sich bestimmt bei Ottolenghi ein Rezept.