Lieber
Chirurg
als
Landarzt

Seit sechs Jahren gibt es den Medizinstudiengang in Oldenburg. Ob das Konzept wirklich aufgeht, ist fraglich

Text Marthe Ruddat
Zeichnungen Till Mette

Einzigartig in Europa“ und ein „neuer Weg in der Medizinerausbildung“: An starken Worten für den Medizinstudiengang in Oldenburg fehlte es von Beginn an nicht. Die „European Medical School“, wie er sich nennt, ist ein Kooperationsprojekt der Universitäten Oldenburg und Groningen und startete im Wintersemester 2012/13. Seitdem beginnen jedes Jahr 40 künftige Mediziner*innen ihr Studium in Oldenburg. Mindestens ein Jahr ihres Studiums verbringen sie in Groningen.

Der Studiengang werde helfen, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern, da war sich der damalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) bei seiner Begrüßungsrede für die ersten Studierenden sicher. Die angehenden Mediziner*innen haben durch sogenannte Patientenvorlesungen von Beginn an Kontakt zu Patient*innen, zwei Wochen im Jahr verbringen sie in Hausarztpraxen der Region.

Doch ob der Plan, durch die Studienplätze in Oldenburg neue Allgemeinmediziner*innen für die Versorgung auf dem Land zu gewinnen, tatsächlich aufgeht, ist vollkommen unklar – so wie die Zukunft der Universitätsmedizin in Oldenburg überhaupt.

Schon in seiner Stellungnahme zu den Plänen der neuen Ärzt*innenausbildung in Oldenburg äußerte der Wissenschaftsrat deutliche Kritik und knüpfte sein „positives Votum“ an „einige Bedingungen“. Damit der Studiengang auch auf Dauer den notwendigen Qualitätsansprüchen genügen könne, müsse in einigen Punkten erheblich nachgebessert werden, hieß es damals. Kritikpunkte waren vor allem die Personalausstattung, das Finanzierungskonzept und das Kliniknetzwerk.

Im Oktober nun waren die Expert*innen wieder in Oldenburg. Es sei ein normaler Vorgang, dass der Wissenschaftsrat die Weiterentwicklung eines Studiengangs überprüft, sagt eine Sprecherin der taz. Dass auch dieses Mal die finanzielle Lage moniert wird, scheint aber wahrscheinlich. Gegenüber dem NDR räumte Oldenburgs Studiendekan Klaus Kohse ein, dass die derzeitige Finanzierung nicht ausreiche, um den Anforderungen des Wissenschaftsrats und der Approbationsordnung für Ärzt*innen zu genügen.

Auch die Krankenhäuser, mit denen die Medizinfakultät kooperiert, werden unter die Lupe genommen und auch hier droht erneut Kritik. Denn der größte Partner, das Klinikum Oldenburg, macht seit geraumer Zeit Negativschlagzeilen.

Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel hat dort seine Mordserie begonnen. Gravierende Verdachtsmomente gegen ihn wurden ignoriert. Man lobte ihn einfach weg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen mehrere Mitarbeiter*innen des Klinikums. Ermittelt wurde auch wegen erhöhter Sterberaten bei Bauchspeicheldrüsenkrebsoperationen. Und das Krankenhaus schreibt rote Zahlen, hat gerade einen Sanierer eingestellt.

Um die Finanzen geht es auch bei der aktuellen Überprüfung durch den Landesrechnungshof. Im Fokus stünden dabei rechtliche und organisatorische Aspekte, wie eine Sprecherin des Landesrechnungshofes erläutert. Aber auch die finanziellen Auswirkungen der Einrichtung des Studiengangs und die geplante Kapazitätserweiterung der Studienplätze auf den Landeshaushalt würden analysiert.

In der Vergangenheit förderte das Land den Oldenburger Studiengang mit 18 Millionen Euro jährlich. Auch der Haushalt 2019 sieht diese Summe vor. Für die Unikliniken Göttingen und Hannover sieht der Haushaltsplan etwa 170 beziehungsweise 226 Millionen Euro vor – allerdings für mehrere medizinische Studiengänge.

Hans Gerd Nothwang, Dekan der Oldenburger Medizinfakultät, spricht von einer knappen Finanzierung durch das Land. Der Ausbau auf 200 Studienanfänger*innen pro Jahr sei jedoch bereits in Planung. „Im Zuge dieses Ausbaus rechnen wir auch mit einer sukzessiven Erhöhung der Landeszuweisung auf 57 Millionen Euro“, sagt Nothwang. Grundlage für diese Annahme seien Gespräche mit dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium vor der Begehung durch den Wissenschaftsrat. Diesem sei die Erhöhung bereits vorgestellt worden.

Nothwang sieht die Zukunft des Medizinstudiengangs nicht in Gefahr. Auch neue Forschungs- und Lehrgebäude seien bereits in Planung, sagt er. Zur Finanzierung dieses geschätzten 225-Millionen-Projekts fänden derzeit Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium statt. Dieses will nach eigenen Angaben in den kommenden Haushaltsjahren zusätzliche Fördermittel für die Universität Oldenburg anmelden. Wie viel mehr Geld der Uni ab 2020 zur Verfügung stehen wird, bleibt aber unklar. Eine Stellungnahme von Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) zur Zukunft des Studiengangs war bis Redaktionsschluss nicht zu erhalten.

Sowohl der Wissenschaftsrat als auch der Landesrechnungshof werden ihre Berichte voraussichtlich Mitte 2019 vorlegen. Die Universität Oldenburg startet jetzt die erste Befragung, um herauszufinden, was die Absolvent*innen nach ihrem Abschluss vorhaben. Damit wird sich auch zeigen, ob der Plan, Allgemeinärzt*innen für die ländliche Versorgung zu gewinnen, aufgeht.

Die ersten vier Mediziner*innen aus Oldenburg beendeten dieses Jahr ihr Studium. Zwei ehemalige Studenten, die mit der Nordwest-Zeitung sprachen, wollen lieber Anästhesist beziehungsweise Chirurg werden.