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: Sicher ist da nichts

In China sollen Babys zur Welt gekommen sein, deren Erbgut ein Forscher mit der Genschere CRISPR-Cas9 behandelt haben soll. Viele reagieren darauf bestürzt. Zu Recht

Foto: Zeigt ­dieses Video ­tatsächlich, wie ein mensch­licher Embryo ­einer CRISPR-Cas9-­Behandlung unterzogen wird? Foto: ap

Von Wolfgang Löhr

Die Empörung über die Genmanipulation von Embryonen im südchinesischen Shenzhen ist groß: Weltweit äußern sich Wissenschaftler und Forschungspolitiker bestürzt über die angeblichen Genexperimente an den beiden in China zur Welt gekommenen Zwillingsmädchen. „Unverantwortliche Menschenexperimente“, so lautet der allgemeine Tenor. Selbst die Southern University of Science in Shenzhen, an der He Jiankui die umstrittenen Versuche mit den Genscheren CRISPR/Cas9 durchgeführt haben will, distanzierte sich von ihrem Mitarbeiter.

Genom-Editing-Verfahren wie CRISPR/Cas9 werden seit einiger Zeit als die neue Wunderwaffe gegen alles mögliche Unheil dieser Welt gehandelt. Pflanzen könnten mit dieser Methode so behandelt werden, dass sie Dürreperioden überstehen, schädliche Viren oder Insekten selbst abwehren oder gar notwendige Wachstumsfaktoren wie Stickstoff selbst aus der Luft aufnehmen können. Auch Tiere sollen mit CRISPR/Cas9 optimiert werden: Geflügel, das gegen Hühnergrippe resistent sein soll, Kühe, die nicht mehr an Rinderwahnsinn erkranken. Schon heute gibt es derart manipulierte Tiere und Pflanzen zum Teil in Laboren. Manche sollen auch schon auf den Markt gebracht werden. Zumindest in der EU allerdings mussten Pflanzenforscher aber einen Dämpfer hinnehmen: CRISPR/Cas9 gilt nach einem Gerichtsurteil als gentechnisches Verfahren und ist damit nach dem Gentechnikgesetz genehmigungspflichtig.

Nun wäre es natürlich naive Träumerei davon auszugehen, dass der Mensch von dieser Genmanipuliererei ausgenommen wird. Vorerst bleibt ungeklärt, ob He Jiankui tatsächlich – so wie verkündet –, die ersten mit CRISPR/Cas9 manipulierten Kinder geschaffen hat. Es gibt keinen Nachweis dafür. Aufklärung könnte die am Dienstag von der chinesischen Regierung angekündigte Untersuchung des Vorfalls geben. Geprüft werden soll auch, ob die Menschenversuche im Einklang mit den „Gesetzen zum verantwortlichen Umgang mit der Gesundheit der Menschen“ stehen.

Auch viele KollegInnen des Reproduktionsmediziners verurteilen die Experimente in Shenzhen. In einem von rund 100 chinesischen Wissenschaftlern unterzeichneten Protestschreiben heißt es: Diese „Versuche am Menschen können nur als verrückt bezeichnet werden“. Sie zielen darauf ab, dass noch viel zu wenig über die Folgen derartiger Eingriffe bekannt ist. Zwar sei es möglich, dass die jetzt geborenen Kinder eine Zeit lang gesund sind, schreiben die chinesischen Wissenschaftler. Ob das so bleiben wird, und ob das bei den nächsten genmanipulierten Kindern auch so sein wird, das sei ungewiss.

Voraussichtlich wird man auch nie erfahren, ob die Resistenz gegen den HI-Virus, der den Kinder mitgegeben worden sein soll, tatsächlich wirksam ist. Denn man wird sie nicht absichtlich mit HIV infizieren können.

„Unverantwortliche Menschen­ex­peri­mente“, so lautet der allgemeine Tenor

Nicht zuletzt treibt die chinesischen Wissenschaftler die Angst vor dem ­Imageschaden um: Dies sei ein „schwerer Schlag für das weltweite ­Ansehen der chinesischen Wissenschaft“. Man müsse jetzt die Chance ergreifen, die „Büchse der Pandora“ wieder zu schließen.

Die Frage ist nur: Wie weit soll sie geschlossen werden? Verriegelt für immer, oder nur solange es keine gesicherten Aussagen über die Langzeitfolgen derartiger Experimente gibt? In den Laboren gehen auf jeden Fall die Versuche weiter, auch mit menschlichen Embryonen. In Deutschland ist das durch das Embryonenschutzgesetz verboten. In den meisten anderen Ländern ist die Embryonenforschung jedoch bis zum 14. Tag nach der Befruchtung erlaubt.

Und wenn dann Daten aus Tierversuchen suggerieren, dass die Technik beherrschbar ist, spätestens dann wird sich die Frage, ob wir überhaupt manipulierte Menschen wollen, den allermeisten Menschen überhaupt nicht mehr stellen.