die dritte meinung
: Ärzt*innen müssen über Abtreibungen informieren dürfen, sagt Nadja Rakowitz

N adja Rakowitz

ist Geschäftsführerin des Vereins Demokratischer Ärztinnnen und Ärzte.

Das im Paragraf 219a des Strafrechtsgesetzbuchs geregelte Verbot der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche ist ein Anachronismus aus der Zeit des vollständigen gesetzlichen Verbots der Abtreibungen und entspricht nicht mehr den gesellschaftlichen und juristischen Gegebenheiten.

Die große Mehrheit der Gesellschaft will diese Informationseinschränkung nicht mehr. Der Paragraf 219a schränkt nicht nur Ärzt*innen in ihrer Berufsfreiheit ein, sondern vor allem Frauen in ihrem Recht auf Information, sexuelle Selbstbestimmung und auf freie Arztwahl. Schwangere Frauen in einer Notlage brauchen neutrale, qualifizierte und einfach verfügbare Informationen zum Schwangerschaftsabbruch. Ärzt*innen dürfen nicht kriminalisiert werden, weil sie ihrer Aufklärungs- und Informationspflicht Patientinnen gegenüber nachkommen.

Im November 2017 ist die Gießener Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Website darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Sie war von radikalen Abtreibungsgegner*innen angezeigt worden, die diesen Paragrafen systematisch und zunehmend nutzen, um Ärzt*innen zu drangsalieren. Gegen weitere Ärzt*innen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Die Ab­trei­bungsgegner*innen benutzen den Paragrafen 219a, um Ärzt*innen anzuzeigen, zu belästigen und einzuschüchtern. Sie führen auf ihren Webseiten Listen von Ärzt*innen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und listen dort auch Strafanzeigen auf, die bisher gestellt wurden.

Die nun erneut vorgeschlagene Erfassung der abtreibenden Ärzt*innen in einer zentralen Liste ist nicht praxis­tauglich. Welche Ärzt*in würde sich da eintragen, um sich noch mehr öffentlicher Diffamierung auszusetzen? Die Folge dieser Liste wäre, dass noch weniger Ärzt*innen als bisher bereit sein werden, Frauen in Not zu helfen. Wir von den Demokratischen Ärztinnen und Ärzten fordern, dass der Paragraf endlich aus dem Gesetzbuch gestrichen wird.