„Ich bin auf meinen Laden stolz“

Björn Tschöpe, Fraktionsvorsitzender der SPD, übers Leiden an seiner Partei, den Stolz auf seine Fraktion und das Befremden über seinen Koalitionspartner

Herausragender Sozialdemokrat: Björn Tschöpe Foto: Ingo Wagner/dpa

Interview Benno Schirrmeister

taz: Herr Tschöpe, wann waren Sie zuletzt glücklich über die SPD?

Björn Tschöpe: Boah, richtig glücklich über die SPD … In der Zeitung steht da jetzt kursiv: Schweigt lange.

Nein, Regieanweisungen in Interviews finde ich albern.

Also das letzte Mal, an das ich mich jetzt erinnere, war, als wir die Ehe für alle durchgesetzt haben. Und wirklich glücklich war ich, als wir den Mindestlohn durchgesetzt haben. Das ist, zugegebenerweise, alles schon vor Jahresfrist geschehen.

Und die eigene Fraktion?

Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden ist es nicht, glücklich zu sein. Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden ist es, die kollegiale, effiziente parlamentarische Arbeit der Sozialdemokratie sicher zu stellen. Ich glaube, dass mir und der Fraktion das gelingt.

Woran machen Sie das fest?

Unser parlamentarischer Output kann sich sehen lassen. Da bin ich auf meinen Laden und meine Leute stolz.

Konkret?

Auf unsere Fahnen schreiben können wir uns die Debatte um die Erhöhung des Landesmindestlohns. Da sehe ich uns als treibende Kraft. Und wir hatten eine Vielzahl Initiativen im Bildungsbereich, zum Beispiel die Aufforderung an den Senat, die Strukturen zum Schulneubau neu zu organisieren, um die benötigten acht neuen Schulen zeitnah bauen zu können. Wir müssen uns wirklich nicht verstecken.

Bloß, wie kriegen Sie hin, dass das der SPD auch in Form von Wählerstimmen gut geschrieben wird?

Das kriegen wir ganz augenscheinlich zurzeit nicht hin. Da die Umfrageergebnisse sich aus regionalen und Bundestrends zusammensetzen und wir deutschlandweit mittlerweile bei 14 bis 16 Prozent liegen, wäre die Frage eher an meine Berliner Spitzengenossen zu stellen. Als Bremer SPD können wir eine Vielzahl guter Initiativen vorweisen. Ob das die Leute honorieren, hat aber viel mit der allgemeinen politischen Stimmung zu tun.

Björn Tschöpe

51, Rechtsanwalt, seit 2009 Vorsitzender der SPD-Fraktion, der er seit 2003 angehört. Er vertritt sie im Polizei-Kontrollausschuss, in der Geheimdienst-Kontrollkommission, im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss. In die SPD eingetreten war der gebürtige Bremer, der auch anerkannter Rettungsassistent und Lehr-Rettungsassistent ist, bereits 1983.

… die Anti-SPD ist.

Mir jedenfalls bereitet die gesellschaftliche Frontstellung zwischen Demokraten und Rechtspopulisten mehr Sorge als die Verfassung der Bremer SPD.

Zieht da die Bremer Koalition am selben Strang?

Das ist ein Punkt, über den ich mich sehr geärgert habe. Wir hatten seit Jahrzehnten eine interfraktionelle Vereinbarung, wie man mit Rechtspopulisten und Neonazis im Parlament umgeht. Bislang war es üblich, dass auf Beiträge von Bürger in Wut, AfD und früher DVU nur einer aus dem demokratischen Spektrum antwortet. Dieses Agreement ist von den Grünen aufgekündigt worden. Die behalten sich vor, auf jeden Fall noch zu reden, auch wenn bereits entgegnet wurde. Das ist ein Paradigmenwechsel. Den halte ich für falsch.

Warum?

Vorher hatte man den Rechtspopulisten signalisiert: Ihr seid etwas anderes. Es gibt eine Frontstellung zwischen euch und den demokratischen Kräften. Wir überlassen euch nicht das Agenda-Setting. Dass eine Partei meint, diesen Konsens verlassen zu müssen, den CDU, FDP, Linke und SPD tragen, befremdet mich.

Auf anderer Ebene wirken Sie auch nicht immer zufrieden mit dem Koalitionspartner …?

Es geht nicht darum, mich zufrieden zu machen, sondern Probleme für die Menschen in dieser Stadt zu lösen. Das gelingt uns als Koalition in vielen Bereichen sehr wohl. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass es einen Dissens beispielsweise in der Flächenfrage gibt: Die Grünen kleben an jeder Scholle, schon aus ihrer Tradition heraus. Wir sind überzeugt, dass wir mehr Flächen für Wohnungsbau erschließen müssen, um steigende Mieten zu vermeiden. Das ist ein klares Problem mit den Grünen und da kommen wir nur mühselig weiter. Dabei ist es auch ökologisch unsinnig, statt im Siedlungskern hinter der Landesgrenze, mitten in der Natur Suburbs und Gewerbeparks zu errichten.

Gibt’ s nicht auch soziale Gründe, dicht besiedelten Stadtteilen Zugang zu einer grünen Lunge zu bewahren?

„Mir bereitet die gesellschaftliche Frontstellung zwischen Demokraten und Rechtspopulisten mehr Sorge als die Verfassung der SPD“

Ja, aber die Frage ist doch wie man etwas macht. Wenn ich mir die Rennbahn anschaue, die zwischen zwei sozial belasteten Stadtteilen liegt, ist mir klar: Da muss man bauträgerfreien Wohnungsbau zulassen, um eine soziale Durchmischung zu erreichen, und entsprechende Ausgleichs- und Freizeitflächen vorhalten. Wenn stattdessen die Frage gestellt wird, ob man es überhaupt machen soll – mit der Tendenz es lieber zu lassen, wird das den Problemen unserer Stadt in keinster Weise gerecht.

Kürzlich sagten Sie öffentlich, bei Rot-Rot würden Sie sofort einschlagen, aber ob ein Dreierbündnis mit den Grünen klappt, sei fraglich. Gibt es für Sie mit deren neuer Spitzenkandidatin eine gemeinsame Perspektive?

Vorausgesetzt, dass ein solches Dreierbündnis möglich wird, glaube ich, dass Maike Schaefer Schwerpunkte auf urgrüne Themen im Bereich Ökologie setzt. Damit wird der Gap zwischen Grünen und Linken größer, als wenn eine klassische rot-grüne Strategie verfolgt würde. Ob man das in Verhandlungen überbrücken kann, wird man sehen.

Dabei wird eine Rolle spielen, wer Fraktionsvorsitzender der SPD wird. Reicht Ihr Listenplatz 11 dafür als Empfehlung?

Fraktionsvorsitzender wird in der SPD immer derjenige, der mindestens eine Stimme mehr als potenzielle Mitbewerberinnen oder Mitbewerber erhält. Ich habe weiterhin Lust und werde das auch wieder anbieten – und dann wird es eine demokratische Wahl geben.