Wohnraum abgewählt

Die Bürger im Bezirk Nord haben in einem Bürgerentscheid gegen das Bauvorhaben eines Investors gestimmt. Damit wird es in Winterhude keine neuen günstigen Wohnungen geben

Es soll so bleiben, wie es ist: Bürger votierten gegen ein weiteres Hochhaus Foto: JOTO

Von Frieda Ahrens

In Winterhude konnten die Bürger erstmals über bezahlbaren Wohnraum abstimmen. Und: Sie haben sich dagegen entschieden. Seit Mittwoch ist das Ergebnis des Bürgerentscheids „SOS Mühlenkamp“ über das Bauvorhaben offiziell. Über 70 Prozent der Wähler haben gegen den Bau von 109 neuen Wohnungen votiert.

Die rund 247.000 Abstimmungsberechtigten im Bezirk Nord hatten einen Monat Zeit, für oder gegen ein Bauvorhaben des Investors Robert Vogel KG zu stimmen. Dieser wollte zwischen der Dorotheenstraße und dem Mühlenkamp auf dem Dach einer Tiefgarage ein weiteres Hochhaus neben drei bereits bestehende Gebäude bauen.

Doch eine Bürgerinitiative wehrte sich dagegen. Die Initia­tive „SOS Mühlenkamp“ hatte mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt und so den Bürgerentscheid auf den Weg gebracht. Die Initiative ist grundsätzlich gegen das Bauvorhaben. Sie will, dass der Mühlenkamp umgrünt bleibt und die Uferzone von Bebauung freigehalten wird, sagt der Sprecher der Initiative, Karl-Lorenz Ottensmeyer.

Lars Hansen, Geschäftsführer von Robert Vogel KG, sieht in dem Ergebnis einen Zwischenschritt. Man wolle mit der Verwaltung, Politik und den Bewohnern des Quartiers weiter im Gespräch bleiben. „Wir, als Wohnungsunternehmen, können nur Angebote an die Stadt machen,“ meint Hansen. „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Wohnungsbaupolitik der Stadt zu definieren.“

Bereits im Sommer saßen Investor, Bezirk und Initiative an einem Tisch. Doch die Vorschläge des Investors gefielen der Initiative nicht. Mitte September verließ sie die Verhandlungen. Nun freut sie sich über das Ergebnis des Bürgerentscheids: „Die Menschen haben sich gegen rücksichtslose Wohnungsbaupolitik und fortschreitende Vernichtung von Grünflächen ausgesprochen“, so Ottensmeyer. Das sei das Resultat „eines hastigen und konzeptlosen Städtebaus“.

247.590 Stimmberechtigte konnten vom 8. November bis zum 6. Dezember über den Bebauungsplan „Winterhude 23“ abstimmen: Zur Wahl stand eine Vorlage des Bürgerbegehrens gegen das Bauvorhaben sowie ein Gegenvorschlag der Bezirksversammlung.

Insgesamt beteiligten sich 71.064 Personen. Das entspricht einer Quote von 28,7 Prozent. 71,36 Prozent der Wähler haben für die Vorlage des Bürgerbegehrens gestimmt.

Dabei hatte der Investor mit dem Versprechen gelockt, die Wohnungen für unter neun Euro pro Quadratmeter anzubieten. Seine Sprecherin Madeleine Beil betont, dass hier sogar ohne öffentliches Fördergeld bezahlbarer Wohnraum geschaffen werde sollte. Die Bürgerinitiative überzeugt das nicht. Sie hält das Angebot für eine „Mogelpackung“. Denn die Verpflichtung, den Preis so niedrig zu halten, gelte nur für fünf Jahre – und bei Neuvermietung würde sich der Preis sowieso verdoppeln.

In der Stellungnahme zu dem Ergebnis des Bürgerentscheids erklärt Geschäftsführer Robert Hansen: „Das Ergebnis zeigt, dass wir uns alle noch intensiver mit der gesamtgesellschaftlichen Frage befassen müssen, wo Wohnraum für wen entstehen soll.“

Fest steht, dass das Bauvorhaben nach dem Bürgerentscheid auf Eis liegt. Der Bezirksleiter Tom Oelrichs freut sich: „Ich freue mich über die historisch hohe Beteiligung“, sagt er. Die Beteiligung war mit 29 Prozent die höchste, die ein Bürgerentscheid im Bezirk Nord je hatte. Die SPD im Bezirk sieht das weniger optimistisch: Ihr Fraktionschef Thomas Domres spricht von einem „verheerenden Signal“ und befürchtet ähnliche Initiativen.