Kommentar von Stefan Alberti über einen ruhigen Jahreswechsel
: Good news kann auch mal was Gutes sein

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Stefan Alberti

ist Redakteur für

Landespolitik.

Journalisten sind im Grunde per se ein bisschen neben der Spur. Nicht nur jene, die Artikel fälschen, wie es jüngst von einem Spiegel-Reporter bekannt wurde. Nein, grundsätzlich.

Wie soll das auch anders sein in einem Job, zu dessen Kernsätzen folgendes Credo gehört: „Only bad news is good news“ (sic!, „is“, denn news ist im Englischen immer in der Einzahl – Besserwisserei ist auch so eine journalistische Berufskrankheit) . Oder wie in einem Beispiel in Journalismus-Lehrbüchern beschrieben: Wenn ein Flugzeug sicher landet, ist das keine Nachricht.

Insofern ist dieser Jahreswechsel ein schlechter für Journalisten gewesen, aber ein guter für die meisten Rest-Berliner. Keine Böller-Toten. Weniger Rettungseinsätze in der Silvesternacht als im vergangenen Jahr, auch wenn dabei leider einzelne Rettungskräfte angegriffen wurden. Bislang keine bekannt gewordenen Berichte von massenhaften sexuellen Übergriffen bei den diversen großen Silvesterpartys, vor allem am Brandenburger Tor, wie sie uns in den vergangenen Jahren beschäftigt haben.

Vielleicht ist es nötig, ein paar Tage im Urlaub und dabei Normalmensch und kein Journalist gewesen zu sein, um das alles am ersten Tag zurück in der Redaktion schätzen und sich darüber freuen zu können. Und vielleicht sollte sich diese Sichtweise noch ein bisschen weiter ins neue Jahr erstrecken.

Wobei wir Journalisten und unsere Produkte natürlich nur das Abbild einer Gesellschaft sind. Wenn sich Leser und Zuschauer mehr für sicher gelandete Flugzeuge als für abgestürzte interessieren und millionenfach einen ARD-Brennpunkt „Ein sicherer Tag am Flughafen Tegel“ einschalten würden, wäre die Themensetzung eine andere.

Sicher könnte auch die taz vorwiegend loben, dass in der zurückliegenden Woche Arbeitgeber XY seine Mitarbeiter nicht ausbeutete, sondern menschlich behandelte. Oder Berlins Regierungschef Michael Müller wieder mal einen 14-Stunden-Tag lang engagiert, wenn auch erfolglos ein Projekt voranzutreiben versuchte und seine Frau mit dem Abendessen lange auf ihn warten musste.

Aber würde das einer lesen wollen? Kaum. „Hofberichterstattung“, wäre wohl noch eine nette Reaktion auf einen solchen Artikel.

Nein, das Schlechte in der Welt wird auch weiter wichtig im Journalismus bleiben, in der taz und anderswo. Aber vielleicht bleibt künftig wenigstens ein bisschen mehr Platz für „good news“. So wie im taz-Adventskalender „Frohe Botschaft“ – bloß eben nicht nur vor Weihnachten.