Kongo-Kriegsverbrecherprozess am BGH: Beihilfe? Nicht nachgewiesen

Der Bundesgerichtshof entlastet den in Deutschland inhaftierten Präsidenten der FDLR-Miliz, nicht aber seine Truppe selbst.

Männer in Freizeitkleidung

„Demobilisierte“ FDLR-Kämpfer im Lager von Kanyabayonga, 2015 Foto: Simone Schlindwein

BERLIN/KARLSRUHE taz | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im ersten deutschen Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch das Urteil gegen den ­Ruander Ignace Murwana­shya­ka teilweise aufgehoben. In einem neuen Prozess könnte er eine mildere Strafe bekommen.

Das Verfahren dreht sich um Massaker, die die exilruandische Hutu-Guerilla FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) 2009 im Kongo verübte. FDLR-Präsident Murwanashyaka und sein Vize Straton Musoni, beide in Deutschland ansässig, wurden im November 2009 in Baden-Württemberg festgenommen, nachdem FDLR-Einheiten als Vergeltung für Angriffe der kongolesischen Armee Massaker begangen hatten. Mindestens 174 Menschen wurden dabei grausam getötet.

Nach einem vierjährigen Mammutprozess hatte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Murwanashyaka und Musoni jeweils als Rädelsführer einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt, Murwanashyaka zusätzlich wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen. Musoni erhielt acht Jahre Freiheitsstrafe und kam wegen der bereits sechs Jahre langen Untersuchungshaft frei, Murwanashyaka bekam 13 Jahre. Dagegen legten Verteidigung und Bundesanwaltschaft Revision ein.

Der BGH bestätigte nun in beiden Fällen die Verurteilung wegen Rädelsführerschaft und wies auch alle Verfahrensrügen der Verteidigung ab. Damit ist aber nur das Urteil gegen FDLR-Vize Musoni rechtskräftig. Denn der BGH beanstandete zugleich die Verurteilung von Murwanashyaka wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen.

Verbindliche Befehle

Das OLG hatte Murwanashyaka vorgeworfen, er habe die FDLR durch die Bezahlung von Prepaid-Karten für Satellitentelefone unterstützt, mit denen Kommandeure vor Ort ihre Truppen befehligten. Außerdem habe Murwana­shyaka psychische Beihilfe geleistet, indem er in seiner Öffentlichkeitsarbeit Verbrechen leugnete.

Der Vorsitzende BGH-Richter Jan Gericke rechnete nun aber vor, dass von insgesamt 32 Beihilfe-Handlungen nur 10 im Zeitraum der Massaker stattfanden. Die anderen lagen davor oder danach. Und auch in diesen zehn Fällen habe das OLG nicht dargelegt, ob die Handlungen konkret einzelne Massaker förderten. „Es ist nicht ausgeführt, ob die Prepaid-Karten bei diesen Taten überhaupt eingesetzt wurden“, sagte Gericke. Ebenso wenig lasse sich aus dem OLG-Urteil entnehmen, ob die Kämpfer im Kongo überhaupt etwas von den Pressemitteilungen Murwana­shyakas in Deutschland mitbekamen.

Das Oberlandesgericht habe nicht dargelegt, ob Murwanashyakas Handlungen konkret einzelne Massaker förderten, sagt der BGH

Günstig für Murwanashyaka ist auch, dass die Bundesanwaltschaft mit ihrem Hauptanliegen scheiterte. Sie wollte, dass der FDLR-Präsident für die Verbrechen nicht nur wegen Beihilfe, sondern als Täter verurteilt wird. Die „Vorgesetztenverantwortlichkeit“ greife aber nur, so Richter Gericke, wenn ein Funktionär die effektive Macht hatte, Straftaten zu unterbinden: „Ein Titel und eine formale Funktion als Oberbefehlshaber genügen nicht.“ Das OLG habe korrekt festgestellt, dass Murwanashyaka nicht in der Lage war, den Kommandeuren und Soldaten im Kongo verbindliche Befehle zu erteilen.

Immerhin entschied der BGH in einer anderen Grundsatzfrage zugunsten der Ankläger: Die FDLR-Massaker könnten nicht nur als Kriegsverbrechen, sondern auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden. Schließlich habe es sich um einen „systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung“ gehandelt.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Es wird nun einen neuen Prozess gegen Murwanashyaka am Oberlandesgericht Stuttgart geben. Um das Verfahren abzukürzen, erklärte der BGH, dass die Feststellungen zu den Massakern im Kongo bestehen bleiben. Allerdings dürfte nach Einschätzung sowohl der Bundesanwaltschaft als auch der Verteidigung eine neue Beweisaufnahme nötig sein. In der neuen Verhandlung wird es vor allem darum gehen, welche Beihilfehandlungen Murwanashyaka nachgewiesen werden können. Sollte dies nicht gelingen, bleibt er wohl nur wegen Rädelsführerschaft verurteilt.

Murwanashyakas Verteidigerin Ricarda Lang spricht von einem Erfolg. Sie will nun die sofortige Entlassung von Murwanashyaka aus der Untersuchungshaft beantragen und Verfassungsbeschwerde gegen die Einstufung der FDLR als terroristische Vereinigung einlegen. Die Bundesanwaltschaft betont, es sei von großer Bedeutung, dass die Taten der FDLR nun als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten. (Az.: 3 StR 236/17)

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