Das Für und Wider des deutschen Bauern: Alles so zermürbend hier

Erst Dürre, nun Hochwasserwarnungen – was musste der Bauer nicht alles ertragen 2018. Ist Mitleid angebracht? Nein, so unschuldig ist er dann auch nicht.

Bauern fahren in Treckern in einer Reihe auf der Straße

Bauern haben's nicht leicht, aber … Foto: Allef Vinicius/Unsplash

Den Bauern bleibt wirklich nichts erspart – sie kommen aus dem Klagen nicht mehr raus. Erst der viel zu trockene Sommer, der die Feldfrüchte zum Teil gar nicht erst reifen ließ, woraufhin der Bauernverband 1 Milliarde Euro Bundeshilfe verlangte – und ein Drittel auch bekam. Und nun – nach die heilige Benzinversorgung gefährdenden Niedrigpegeln – kommt schon wieder: Hochwasser.

Wie 2017 wird dazu ein „Hochwasser-Hilfsprogramm“ gefordert, aber noch muss nicht gezahlt werden: An der Messstelle Ilsenburg im sachsen-anhaltischen Landkreis Harz wurde zwar schon die erste Alarmstufe ausgerufen, weil der Pegel in mehreren Flüssen um 30 Zentimeter auf 1,51 Meter gestiegen war, aber an einigen benachbarten Flüssen rief man keine Alarmstufe aus (die Stufe 1 bedeutet ein Überschreiten des Richtpegels, bei Stufe 2 muss ein „Kontrolldienst“ eingerichtet werden, bei 3 beginnt die „Deichverteidigung“ und bei 4 geht zwar nicht die Welt unter, aber die betroffenen Gemeinden).

Das ist jedoch nicht alles, was die Bauern zermürbt: Bereits 181 Kommunen haben sich, einer Kampagne des BUND folgend, zu pestizidfreien Zonen erklärt, bei einigen sehen sich die ansässigen Bauern dadurch in ihrer Existenz bedroht. Sie fordern Entschädigung, quasi eine Kompensation als unfreiwillige Öko-Bauern – für ihre ohne Gifte nun geringer ausfallenden Ernten.

Gleichzeitig macht man ihre industriell betriebene Landwirtschaft aber für das „Bienensterben“ und überhaupt für das „Insektensterben“ verantwortlich sowie auch für die „Klimaerwärmung“. Der Ökologe Josef Reichholf meinte kürzlich in einem Interview: „Unsere Massen-Rinderhaltung in den Ställen trägt ganz erheblich zur Belastung der Erdatmosphäre bei. Wenn wir sie bilanzieren, mindestens so viel, wenn nicht mehr als der gesamte Kraftfahrzeugverkehr. Bei dem versucht man allerdings, an den Schrauben der ausgestoßenen Schadstoffmengen zu drehen. Während die Landwirtschaft weiter gefördert wird.“

Mit Supermarktdreck afrikanische Märkte zumüllen

Die Kritik an den armen Bauern, die bloß noch als Stimmvieh für die Konservativen und Heimattümler gut sind, ansonsten jedoch als Hilfsarbeiter der Agrarkonzerne dienen, macht auch vor ihrer Ästhetik nicht halt: Ihre riesigen Freilaufställe außerhalb der Dörfer verschandeln die Landschaft, und wo das nicht, bauen diese Dumpfmeister überall Mais an: Man fährt auf den deutschen Landstraßen nur noch durch hochgiftigen Maisdschungel. Dazu Reichholf: „Die gewaltige Ausweitung des Maisanbaus ist eine Hauptquelle für das Tierfutter. Die oft von der Landwirtschaft vorgebrachte Argumentation: Wir müssen ja so produzieren, weil wir so viel verbrauchen, stimmt nicht.

Es wird gerade in diesem Bereich Fleisch in Massen produziert, das in den Export geht. Und ich bin nicht der Meinung, dass es Aufgabe der deutschen Landwirtschaft ist, den viel ärmeren Nationen, die von Natur aus bessere Weidegründe hätten, auf dem Weltmarkt Konkurrenz zu machen, und das mit hochsubventionierten Anlagen, die im Hintergrund von den Steuerzahlern bezahlt worden sind. Außerdem müssen riesige Flächen an Tropenwäldern gerodet werden, um die uns fehlenden Futtermittel anzubauen. Soja in Südamerika, Ölpalmen in Südostasien. Es werden also gewaltige Zerstörungen in fernen Regionen getätigt, ein Verhalten, das – und das muss man in aller Deutlichkeit sagen – neokolonialistisch ist.“

Die Bauern sind also auch noch üble Kolonialisten – und in der Tat werden mit ihrem Supermarktdreck die afrikanischen Märkte zugemüllt, gleich neben unserem Elektronikschrott, den wir dort endlagern.

Es geht jedoch noch weiter: Wenn ihre riesigen Hühner-, Enten- und Puten-Mastanlagen durch die Vogelgrippe bedroht werden, dann machen ihre Agrarforscher im Verein mit der Agrarbürokratie prompt die Natur dafür verantwortlich: „Dann sind es die bösen Zugvögel, die die Massengeflügelhaltung bedrohen“, schimpft Reichholf, „anstatt zuzugeben, dass Epidemien die zwangsläufige Folge solcher Massenhaltung sind.“

Das sind die Argumente, mit denen die Bauern zur Schlachtreife gebracht werden – und das Wetter, das spielerisch zwischen Austrocknen und Hochwasser hin und her tänzelt, spielt da auch noch mit: diese opportunistische Drecksau!

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