Bremen hat die Wahl

In Bremen wackelt die SPD-Mehrheit

Zweifelhaft ist, ob diese ruhmreiche Geschichte am 26. Mai eine Fortsetzung findet

Wenn ein Land durch das Adjektiv „sozialdemokratisch“ gut charakterisiert ist, dann Bremen. Sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven – wo es irrerweise trotzdem mal einen FDP-Oberbürgermeister gab – hat die SPD stets die meisten Stimmen, die meisten Mandate, die meisten Senatsmitglieder und überhaupt. Seit Bestehen der Bundesrepublik ist Bremen stets von Sozialdemokraten regiert worden. Immer wieder mit Koalitionspartnern, das ist wahr, anfangs aber noch ganz ohne Not, wie unter Wilhelm Kaisen, bei dem, trotz absoluter Mehrheit wenigstens die FDP immer mitregieren durfte.

Zweifelhaft ist, ob diese ruhmreiche Geschichte am 26. Mai eine Fortsetzung findet. Bundesweit steht es nicht so gut um die SPD, auch die Bremen-Umfragen von 2018 weisen erhebliche Schwankungen aus: Die SPD wurde von Mai bis Sommer mal bei 22, mal bei 28 gemessen, bei der CDU pendelt es zwischen 24 und 26 Prozent. Während die Grünen zunächst eher unter den 15 Prozent von vor vier Jahren taxiert und von Die Linke überholt worden waren, erreichten sie im August 20 Prozent in einer Telefon-Erhebung. Da bewegt sich viel, und das klingt eher nach Dreier- als nach Zweierbündnissen, wer die anführt – offen.

Ist Carsten Sieling, der 2015 sein Bundestagsmandat aufgab, um hier als Bürgermeister den Fortbestand der Koalition zu sichern, an allem schuld oder trauriger Held? Das Tableau ist zu kompliziert, als dass sich die Ursache des Niedergangs mal schnell bestimmen ließe. Wobei im Vergleich zum Bund die Bremer SPD-Werte ja gold sind. Landespolitisch ist es der rot-grünen Koalition seit 2007 gelungen, den desaströsen Landeshaushalt soweit zu sanieren, dass es eine Zukunftsperspektive gibt. Bloß war das vor allem das Verdienst von Karoline Linnert (Grüne), die nicht mehr antritt: Die Grünen-Mitglieder haben die Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer als Spitzenkandidatin nominiert, die ein umweltpolitisches Profil hat.

Die Programme sind weitgehend geschrieben, ein Sieger-Thema ist noch nicht in Sicht. Ebenso wenig eine Figur, die dem Wahlkampf den Stempel aufdrücken könnte: Dass der Bürgermeister „Carsten Sieling“ heißt, haben immer noch nicht alle Bremer*innen gelernt, und dafür, dass Herausforderer Carsten Meyer-Heder (CDU), ein Internet-Unternehmer, die Massen rockt, gibt es keine positiven Hinweise. Die gibt es hingegen darauf, dass die AfD, deren Parteiarbeit in Bremen durch Selbstzerfleischung und Prozesshanseleien geprägt ist, schwach bleiben wird. In Bremen sinken ihre Werte – gegen den Bundestrend.

Benno Schirrmeister