hörbuch
: Die traurigen Geschichten des Theodor Fontane

Die Bücher von B. Traven sind als Diogenes-Taschenbücher erhältlich. Am bekanntesten sind „Der Schatz der Sierra Madre“ und „Das Totenschiff“

Nächstes Jahr ist Fontane-Jahr, sein 200. Geburtstag steht im Dezember 2019 an. Viele seiner Romane wurden ein- oder mehrmals als Hörspiele inszeniert. Der Audio Verlag hat die Radioarchive durchkämmt und acht von ihnen für „Theodor Fontane – Die große Hörspieledition“ ausgewählt. Zwischen dem ältesten Hörspiel, dem Oderbruch-Krimi „Unterm Birnbaum“ (erschienen 1885), das Radio Stuttgart (heute SWR) 1948 produzierte, und dem jüngsten, „Frau Jenny Treibel“ (1893, 1988 für die Deutsche Welle produziert) liegen 40 Jahre, trotzdem ähneln sich ihre Inszenierungen frappant.

Gemächlich wie auf einer Wanderung durch die Mark Brandenburg spazieren sie linear durch die gesellschaftskritischen Geschichten, in denen nicht nur die Fontanes Werk so häufig bevölkernden starken Frauen an den strengen gesellschaftlichen Konventionen des Kaiserreichs zugrunde gehen. Dabei verlieren die Inszenierungen nie die Fontane’schen Details aus dem Blick, transportieren seine beißende Ironie und den feinen Humor, mit denen er etwa die Janusköpfigkeit der bourgeoisen „Frau Jenny Treibel“ (1893) liebevoll vorführt und zudem ein Bild der Berliner Gesellschaft in der Gründerzeit zeichnet.

Die Hörspiele orientieren sich stark an der von Fontane gewählten literarischen Struktur, in fünf von ihnen hält ein auktorialer Erzähler die Zügel in der Hand. Sei es Gert Westphal („Unwiederbringlich“, 1891, BR/NDR 1983), Walter Gontermann („Frau Jenny Treibel“) oder Wilhelm Borchert in „Irrungen, Wirrungen“ (1887, BR 1955), mit nonchalanter Stimme und konsequenter Haltung bereiten die Sprecher die Hörer*innen auf das meist traurige Ende vor.

Die Spielszenen sind sparsam inszeniert; nur wenige häusliche Geräusche, kaum Naturatmosphäre, bereichern die Kammerspiele. Es gibt ein Wiederhören mit deutschen Schauspieler*innen wie Klaus Maria Brandauer, Ruth Leuwerik und Charles Brauer („Cécile“, 1886, NDR 1975), deren markante Stimmen die tragische Geschichte um eine Frau, „die an der Last der Vergangenheit zugrunde“ geht, zu einem wonnegrausigen Genuss machen. Ungewohnt, da einmal nicht Erzähler, aber ­glänzend ist Hans Paetsch als Hofprediger Dörffel.

Die im Erscheinungsjahr 1887 ob ihrer Offenheit als skandalös empfundene Liebesgeschichte „Irrungen, Wirrungen“, in der die Beziehung zwischen Baron Botho und Plätterin Lene aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen scheitern muss, wertet Bothos Entscheidung nicht ab, sondern verdeutlicht, dass er keine andere Wahl hat. In der Hörspielfassung verleiht Christa Berndl Lene eine erhabene Würde. In „Effi Briest“ (1894, BR 1949) macht Christiane Felsmann die Entwicklung Effis vom lebenslustigen Mädchen zur vereinsamten, geächteten Frau hörbar. Das Hörspiel ist mit viel Klaviermusik und Geräuschen wie Stühlerücken und quietschende Schaukeln fast schon opulent ausgestattet.

Es sind nicht nur die Frauen, die bei Fontane am herrschenden System leiden

Aber es sind nicht nur Frauen, die am herrschenden System leiden. Als Rittmeister „Schach von Wuthenow“ (1883, SFB (heute rbb), hr/Radio Bremen 1963) wird Carl Raddatz herzerweichend „Opfer einer Welt des Scheins, deren Moralbegriffe längst fragwürdig geworden sind“, wie es im knappen, aber informativen Begleittext heißt. Eine besonders beeindruckende Performance liefert Gertrud Kückelmann in der Rolle der „Mathilde Möhring“ (aus dem Nachlass 1906, BR/SWF, heute SWR 1965). Ihre Stimme ist zielgerichtet und zweifelnd zugleich und macht damit Mathildes Entschlossenheit deutlich, dem Berliner Kleinbürgertum durch eine „bessere“ Heirat entkommen zu wollen, das aber nicht zu jedem Preis.

Indem sich die Hörspielinszenierungen in ihrer luziden Schlichtheit zeitgenössischen Modespielereien verweigern, sind sie auch heute noch hörenswert. Sylvia Prahl

Theodor Fontane: „Die große Hörspieledition“. Der Audio Verlag, Berlin 2018, 12 CDs, Laufzeit ca, 13 Std. 53 Min.