Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Immer fremd bleiben

Foto: privat

Avantgarde schreibt heute man schnell, wenn sich kein Genre anbietet, um eine Künstlerin widerspruchsfrei zu verorten. Und dass dies so falsch auch gar nicht ist, sagt eine Menge über die im durchsortierten Kulturbetrieb herrschende Langeweile. Bei Mary Ocher ist ganz besonders oft davon die Rede und hier fühlt es sich auch ganz besonders komisch an. Weil sie ja gerade nirgendwo hinprescht, keine Bewegung stiftet und überhaupt so, nun ja, zu ruhen scheint in ihrem Chaos aus minimalistisches Geklimper und einem Gesang, der mal folkloristisch Druck macht und dann wieder so sphärisch rumeiert. Dass diese arg hilflose Beschreibung total beliebig klingt, die Musik aber überhaupt nicht so ist, macht es gerade so interessant.

Mary Ocher hat inzwischen vier Alben vorgelegt, die alle toll sind. Da machen so Leute wie Felix Kubin mit, oder Die Tödliche Doris. Und weil die ja nun auch nicht gerade hilfreich dabei sind, einen Stil irgendwo verbindlich festzunageln, bleibt fürs Erste nur, das Phänomen Mary Ocher weiter einzukreisen: Vor ein paar Jahren war sie mal mit der ehemaligen Pornodarstellerin Sasha Grey für das Arte-Format „Durch die Nacht mit ...“ in Hamburg unterwegs. Richtig toll war das, obwohl beide konsequent aneinander vorbeigeredet haben und auch da kein Stück miteinander funktioniert haben, wo sie sich offenbar einig waren.

Und darauf kommt es an: Ocher kulturiviert eine unüberwindbare Fremdheit gegenüber einer Welt, die selbst auch nicht mehr versteht, wer Ocher nur lang genug zuhört. Im Video zu ihrem Song „Arms“ posiert sie auf israelischen Straßen mit zufällig vorbeikommenden Soldat*innen, die mit dem Gewehr über der Schulter etwa zum Einkauf gehen. Ocher ist sichtlich nicht wohl bei diesen Waffen, ihr Umzug aus Tel Aviv nach Berlin sollte wohl auch die Wehrpflicht umgehen. Aber trotzdem verfällt ihre Bildsprache keine Sekunde in das antisemitische Gefasel hiesiger Israelkritik. Der mal mehr und mal weniger kalte Kriegszustand bleibt abstrakt, fremd und etwas, worüber nachzudenken bleibt. Und genauso wäre es bei Ocher wahrscheinlich auch, wenn sie ein Stück Butter besänge. In Bremen spielt Ocher mit den Spröden Lippen. Und wer auch immer sich das ausgedacht hat, war sehr schlau.

So, 13. 1., 20 Uhr, Schwankhalle