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: Neuanfang verschleppt

Nach Entlassung von Trainer Jodoin gehen die Eisbären mit Interims- trainer Richer ins neue Jahr. Die Fans kämpfen gegen Verdrängung

Drei verschiedene Cheftrainer hatten die Eisbären in nur einem Jahr unter Vertrag

Von Alina Schwermer

Die Eisbären Berlin waren dreieinhalb Jahre lang, man möchte sagen, eine Art Kiezbäcker unter den Topteams der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Gewissenhaft und arbeitsam, in geradezu vorhersehbarem Takt malochten sie sich an die nationale Spitze zurück. Ein bisschen langweilig, aber grundanständig, nett, stark im Kollektiv – sozusagen kleine Brötchen statt erster Sahne –, und als im Frühjahr 2018 dieses Team den reichen Serienmeister aus München im DEL-Finale beinahe am Boden hatte, war das der vorläufige Höhepunkt eines langen Comeback-Kampfes.

Die Ausstrahlung der Finalhelden von 2018 ist, Stand Anfang 2019, eher matt. Behäbig und ideenlos wirkten die Berliner zuletzt beim wackeligen 4:3-Sieg nach Penaltyschießen gegen Iserlohn, dem Drittletzten der Tabelle. Für die Eisbären selbst geht es inzwischen um vieles; sie sind Neunter, für den direkten Weg in die Playoff-Viertelfinals wäre Platz 6 nötig.

Kapitän André Rankel – Vereinslegende, der gegen Iserlohn sein 800. DEL-Spiel bestritt – ließ die Vorlage zum Selbstlob vor vereinseigenen Kameras müde liegen: „Wir müssen uns mehr bewegen, mehr Zug zum Tor entwickeln, das war nicht unser bestes Drittel“, konstatierte er nach den ersten 20 Minuten. Die Berliner blieben ineffizient im Powerplay, leicht zu überwinden in der Defensive und bei eigenen Torchancen irgendwo zwischen fahrlässig und wild feuernd.

Die Unsicherheiten dürften tiefere Gründe haben: Drei verschiedene Cheftrainer hatten die Eisbären in nur einem Jahr unter Vertrag, das ist per se selten ein Qualitätszeichen. Ohne Not hat die Klubführung mit erratischen Personalrochaden das überalterte Team noch mehr in Bedrängnis gebracht. Den Auftakt der Wechsel bildete die Demission des langjährigen Trainers Uwe Krupp, der mehr oder minder freiwillig hinwarf, nachdem die Bosse sich trotz des Erfolgs zierten, seinen Vertrag zu verlängern.

Es folgte im Mai der ehemalige Co-Trainer Clément Jodoin auf den Chefposten, ein 66-Jähriger, der eigentlich seine Karriere hatte beenden wollen. Zukunftsträchtig war das nicht. Jodoin wiederum musste nach kaum einem halben Jahr und Dauerkrise im Dezember 2018 gehen.

Sein Nachfolger, Interimstrainer auf unbestimmte Zeit, ist Stéphane Richer, eigentlich von Amts wegen Sportdirektor der Berliner und seit Langem mit dem Eisbären-Inhaber AEG verbandelt. Noch einmal wird nun der Neustart verschleppt. Die Zeit, einen neuen Trainer zu finden, wäre da gewesen, aber der einflussreiche Richer wird das Team wohl selbst in die Playoffs führen. Schon in den ersten Wochen im neuen Amt steht er wegen der eigenen Personalpolitik in der Kritik.

Die Abhängigkeit von Inhaber AEG durchdringt derweil beinahe alles. Zuletzt deutlich wurde das im aktuellen Streit über den Fanbogen: ein Areal von selbst gestalteten Containern der Eisbären-Fans in unmittelbarer Nähe der Arena, ihr Treffpunkt, zweites Zuhause, Planungszentrum für Choreografien. Und „für einige langjährige Fans der Hauptgrund, noch zu den Eisbären zu gehen“, wie die Fangruppe Black Corner in einem Statement schreibt.

Das Gelände aber gehört der AEG, und 2019 soll der Fanbogen Baumaßnahmen weichen. Fast alles bringt dem US-Konzern schließlich mehr Geld als ein paar Fans im Container. Unter dem Hashtag #fanbogenbleibt protestieren die Eisbären-Fans derzeit gegen die Pläne, der Förderverein Fanbogen sucht zugleich nach Alternativorten. Bislang erfolglos.

Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hat nun auf SPD-Antrag beschlossen, das Bezirksamt werde sich für den Erhalt des Fanbogens oder einen neuen Standort einsetzen. Die Zeit ist knapp, bis Juni dürfen die Fans wohl noch bleiben. „Fankultur erhalten – Fanbogen bleibt“, plakatierte die Kurve auch gegen Iserlohn. Es geht um mehr als die Playoffs in diesem Jahr.