Nullen und Einsen mit Michael Preetz

Beim Fußballsalon im Deutschen Theater war diesmal der Hertha-Manager zu Gast

„Berlin ist nur deshalb provinziell, weil Provinzielle nach Berlin ziehen“

Von Alina Schwermer

Es verlangte Geduld bis in die zweite Hälfte, bis Michael Preetz einen Hauch von Laune in die Bude brachte. Da war der Manager von Hertha BSC auf Bier umgestiegen, und Moderator Christoph Biermann war in die Gegenwart gesprungen, beides begrüßenswert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das zahlreich versammelte Hertha-Fußvolk stoisch 45 Minuten lang der Umschmeichlung von Preetz’ Spielerkarriere zugesehen; das Format „Fußballsalon“ im Deutschen Theater will es so, erst die Vergangenheit, um sich dann in die Gegenwart voranzuschaufeln, in der Hoffnung auf charakterliche Offenbarungen und ein paar launige alte Kamellen aus Zeiten von Schnauzern und XL-Trikots.

Michael Preetz, der den Anschein erweckt, als sei er in die Start-up-Szene geboren statt uffm Platz, konnte oder wollte mit Anekdoten wenig dienen. Man erfuhr stattdessen, dass ihm „immer wichtig war, zu planen“, und klassisch neoliberal, dass er eine „eingebaute Aufstiegsgarantie“ habe (mehrfach) sowie dass er allerhand Spannendes über Ex-Trainer Lucien Favre sagen könnte, aber das nicht tue. Da lieber die Gegenwart.

Michael Preetz, der Mann, der Hertha als Manager wieder in der Bundesliga etabliert hat, ehrgeizig und vorausschauend, der sich selbst etwas wunderte, wie er zu Beginn seiner ­Managerlaufbahn zwei Abstiege überlebte, hat denkbar großen Anteil an der derzeit jungen, vergnüglichen Hertha-Truppe. Wie viel besser Hertha wirtschaftlich ­dastehe, wusste er mit Zahlen zu belegen. Ob Hertha nun aber auch im Image besser dasteht oder eigentlich eher schlechter, da ist man nie so sicher.

Stadionbau, Fankrach, Digitalisierungsstreit: das waren die drei großen Elefanten im Raum. Preetz sprach zu allen dreien, allerdings wenig, was er nicht vorher schon so gesagt hätte. Die schwierige Stadt Berlin, die Zugezogenen, die große Konkurrenz und wie wichtig Digitalisierung sei, jaja. Kommunika­tionsfehler im Fanstreit räumte er ein, reichlich verdruckst: „Es ist wichtig, dass wir die Kommunikation – Stichwort Hymne – verbessern“. Die alten Fans mitnehmen und zugleich vom Berlin-Hype profitieren, das ist die große, wackelige Hertha-Erzählung. „Ich glaube, bei den Zugezogenen wird es schwer, die ­Väter zu bekehren. Aber ich glaube fest daran, die Kinder zu bekehren“, so Preetz. Sicherlich wären die Mütter auch noch ein denkbares Publikum, aber wohl nicht für Hertha.

Mehr emotionale Erlebnisse wie den Sieg gegen Bayern wünschte sich der Manager („eine enge Bindung entsteht auch, wenn man sportlich erfolgreich ist“) und eben das neue Stadion, von dessen Umsetzung man total überzeugt sei. „Es würde uns die Möglichkeit eröffnen, den Abstand auf die Teams vor uns dauerhaft zu verkürzen.“ Eingebaute Aufstiegsgarantie.

Nicht immer konnte der Manager dabei den Eindruck eines Politikers beim Bürgerdialog abschütteln; Preetz stakste da glatt und technokratisch durch, mit leicht ironischem Lächeln und bemühten Witzchen. Das grundsätzlich wohlwollende Hertha-Volk wurde irgendwann doch etwas aufsässig. „Ich fühle mich nicht mitgenommen“, klagte ein alter Herthaner. „Ich sehe, dass man keine Neuen gewinnt, aber Alte verprellt.“ Das dürfe nicht passieren, versicherte der Manager leicht unwillig. Ein zweiter Fan machte unter Applaus Stimmung gegen das neue Stadion, aufgebracht rief er aus dem Publikum: „Berlin ist nur deshalb provinziell, weil Provinzielle nach Berlin ziehen.“ Sicherlich der beste Satz des Abends. Bevor es noch lustig zu werden drohte, ging man auseinander. „Fußball ist das letzte Archaische“, sagte einer. „Da geht es nicht nur um Nullen und Einsen.“ Oder halt doch.