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: Mehr Geld für arme Familien – und viel Bürokratie

Das Kabinett beschließt das Starke-Familien-Gesetz, damit Eltern mit geringem Einkommen mehr Geld für ihre Kinder erhalten. Verbände kritisieren den bürokratischen Aufwand

Das Neue

Alle Kinder sollen in der Schule und in ihrer Freizeit die gleichen Chancen haben. Deswegen will der Staat künftig Familien, die auf Grund­sicherung oder Wohngeld angewiesen sind, mit mehr Geld unterstützen. Helfen soll das sogenannte Starke-Familien-Gesetz. Teil des Pakets ist ein Kinderzuschlag, der einkommensschwachen Familien zusätzlich zum Kindergeld gezahlt wird. Damit steigt der Satz um 15 Euro auf 185 Euro monatlich. Hinzu kommt: Das Mittagessen in Kindertagespflegeeinrichtungen, in Kitas und Schulen wird für diese Kinder kostenlos, ebenso die tägliche Fahrt mit Bus und Bahn zur Schule. Einmalig gibt es mehr Geld für Schulbedarf wie Schulranzen, Stifte und Hefte. Nachhilfe kann künftig von allen Kindern dieser Familien genutzt werden. Bislang stand dies nur solchen Kindern offen, die wegen schlechter Noten fürchten müssen, nicht versetzt zu werden.

Der Kontext

Die Bundesregierung will Kinderarmut beenden. Aber wie? Viele Sozialverbände fordern eine „neue Kindergrundsicherung“, bei der für alle Kinder monatlich je 399 Euro ausgezahlt werden soll, zeitweise gar 619 Euro monatlich. Das würde das Sozialsystem komplett verändern. Mit dem neuen Gesetz sorgt die Bundesregierung für kleine Anpassungen. Arbeits- und Familienministerium wollen mit dem Starke-Familien-Gesetz genau denjenigen Kindern helfen, deren Familien trotz Sozialleistungen zu wenig Geld haben. Bei der Vorstellung des Kabinettsentwurfs am Mittwoch sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Vorschläge wie die „neue Kindergrundsicherung“ seien ungerecht, weil sich die Leistungen nicht mehr am Einkommen der Eltern orientierten. Damit ist die Idee vermutlich vom Tisch.

Die Reaktionen

Grüne und Linke im Bundestag kritisieren, dass die Erhöhung der Sätze nicht ausreicht. „Gegen Kinderarmut bräuchte es einen großen Wurf“, sagten Annalena Baerbock und Sven Lehmann (Grüne). Die im Gesetz präsentierten Minimallösungen seien zu wenig. Sozialverbände klagen, dass die Gelder kompliziert beantragt werden müssen. Diese Hürde hindere viele betroffene Familien daran, Leistungen in Anspruch zu nehmen. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbunds, spricht deswegen vom „Starke-Bürokratie-Gesetz“. Ministerin Giffey hält den Bürokratie-Vorwurf für unbegründet. Ihren Angaben nach soll es eine Online-Ausfüllhilfe geben, die Antragstellern in einfacher Sprache und mit Übersetzungen den Antrag erklärt. Zudem können Schulen Leistungen für alle bedürftigen Kinder einer Klasse gesammelt beantragen, um Eltern zu entlasten.

Die Konsequenz

Der Gesetzentwurf soll nun in den Bundestag eingebracht werden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, dass die Koalition den Sozialstaat über dieses Gesetz hinaus weiterentwickeln will. Im Sozialstaatsdialog sollen neue Ideen entstehen, sagte er: „Wir warten nicht auf die Revolution, sondern setzen die Dinge Schritt für Schritt um.“ Markus Kowalski