Wintersturm erfasst Europa

Weiße Dächer in Istanbul, Schnee auf der Akropolis, Lawinengefahr in Österreich: In Europa hält der Winter Einzug und löst vielerorts Chaos aus. Drei Momentaufnahmen zwischen Gelassenheit, Sorge und Leichtsinn

Gelassene Griechen

Es kommt relativ selten vor, aber in diesen Tagen sind auch die Dächer in Istanbul weiß. Seit zwei Tagen hat es nicht nur hier, sondern auch an der ganzen Ägäis-Küste geschneit, allerdings nicht so viel, dass der Alltag davon spürbar betroffen wäre. Der Schnee ist aber nicht nur auf die türkische Mittelmeerküste beschränkt, sondern auch Griechenland erlebt zurzeit eine Schnee- und Kältewelle. Besonders spektakulär: Selbst auf Rhodos, der Sonneninsel schlechthin, fiel am Dienstag ordentlich Schnee, zumindest in den etwas höheren Lagen.

Richtig vom Schnee getroffen sind vor allem Nordgriechenland und der Osten der Türkei. Hier liegt teils meterhoher Schnee, der den Verkehr behindert, allerdings sind die Leute darauf vorbereitet und gehen gelassen damit um. Jürgen Gottschlich

Höchste Lawinenwarnstufe in Österreich

Das Skigebiet Hochkar in Niederösterreich wurde Mittwoch zum Katastrophengebiet erklärt. Die Hochkar-Alpenstraße, über die man selbiges erreicht, ebenfalls. Schneefall und umgestürzte Bäume hatten die Fahrbahn in der Nacht unpassierbar gemacht. Rund 100 Urlauber und alle Einwohner wurden schon am Montag evakuiert. Das Absprengen von Lawinen wurde angeordnet. Bundesheersoldaten, die das Gebiet freischaufeln sollen, können nicht vor Sonntag eingeflogen werden.

Der Tod eines Lehrers, der am Dienstag an der Spitze einer Schulskikursgruppe einen Ski verlor, von der Piste abkam und mit dem Kopf voran im Tiefschnee stecken blieb, ist symptomatisch für die Gefahren des Neuschnees. Mindestens acht Skifahrer, Snowboarder und Tourengeher sind in den vergangenen Tagen in Österreich ums Leben gekommen, einige durch eigenen Leichtsinn, weil sie entgegen allen Warnungen von der Piste abwichen. In mehreren Bundesländern sind inzwischen Schulskikurse abgesagt worden.

In der nördlichen Obersteiermark, im südlichen Niederösterreich, Teilen von Salzburg und Oberösterreich gilt seit Dienstagabend die höchste Lawinenwarnstufe fünf, in ganz Tirol und Vorarlberg Stufe vier. Umstürzende Bäume beschädigen immer wieder Stromleitungen und blockieren Straßen. In Niederösterreich waren Mittwoch rund 270 Familien von der Stromversorgung abgeschnitten, in Tirol waren es Mittwochvormittag bis zu 1.400 Haushalte. Ralf Leonhard

Hamsterkäufe auf dem Balkan

Wenn man von der Adria-Insel Ciovo auf das Küstengebirge Dalmatiens blickt und den weißen Zuckerguss auf den Bergen wahrnehmen kann, dann ist dies ein Zeichen, dass der gesamte Balkan von Schnee bedeckt ist. Im Norden Kroatiens wird es zwar erst wieder morgen schneien, doch in Bosnien, vor allem in Sarajevo, fallen die Flocken schon den ganzen Tag.

Drei Tage lang wird es in Zentralbosnien und Westserbien schneien. Dann könnte der Schnee so hoch werden wie vor fünf Jahren, als keine Straße mehr offen war. Damals fiel der Strom aus, Supermärkte konnten nicht mehr beliefert werden. Das Essen wurde knapp. „Wie im Krieg“, witzelten die Leute. Und die Jugendlichen nutzten die Straßen in Sarajevo als Rodelbahnen und Skipisten. Das könnte jetzt wieder so kommen. Die Wetterprognosen sehen nicht gut aus.

Sorgenvoll schaue er sich die Programme über die meterhohen Schneeberge in Österreich an, schreit Mustafa ins Telefon. Er habe heute Vormittag schon den halben Supermarkt aufgekauft, witzelt der Endsechziger. Bisher können die Bewohner Bosniens, Kroatiens und auch Serbiens jedoch noch gelassen bleiben. So wie in Österreich jetzt und wie vor fünf Jahren in Bosnien wird es wohl dieser Tage in ihrer Region doch nicht kommen. Und wenn ja, dann ist man „seit Langem Katastrophen aller Art gewohnt“, lacht Mustafa ins Telefon. Erich Rathfelder