Ein bisschen weniger Schummelei beim CO2

Neue Autos schlucken durchschnittlich 39 Prozent mehr Sprit als die Hersteller angeben. Dass dieser Wert Experten „vorsichtig optimistisch“ macht, ist nicht ganz abwegig

Ein offenes Geheimnis: Der offizielle Spritverbrauch ist gespenstisch niedrig Foto: Eric Herchaft/Reporters/laif

Von Bernhard Pötter

Neuwagen in Europa verbrennen nach einer aktuellen Studie im Schnitt 39 Prozent mehr Benzin oder Diesel als von den Herstellern angegeben. Diese gewaltige Lücke zwischen Hochglanzwerbung der Autobauer und der Realität auf der Straße führt zu mehr Emissionen beim Klimagift CO2, zu höheren Spritkosten für die Verbraucher und zu weniger Steuereinnahmen für den Staat – aber sie ist eine vorsichtig positive Nachricht auf diesem Gebiet. Denn „zum ersten Mal seit 2012 stellen wir einen leichten Rückgang dieser Kluft fest“, sagt Uwe Tietge, Experte am unabhängigen Forschungsinstitut International Council on Clean Transportation (ICCT), das am heutigen Freitag seine jährliche Untersuchung zum wirklichen Spritverbrauch präsentiert. „Zuvor stiegen die Abweichungen von Jahr zu Jahr an.“

Der ICCT, der unter anderem maßgeblich an der Aufdeckung des Dieselskandals bei VW beteiligt war, misst seit Jahren die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Spritverbrauch. Dabei nutzten sie Daten von 1,3 Millionen Pkws, die aus 15 verschiedenen europäischen Quellen kommen, etwa von Verbraucherportalen, Autovermietungen oder Autozeitschriften. So fanden die Experten über die Jahre heraus: Je schärfer die europäischen CO2-Grenzwerte für Pkws wurden, desto weniger hielten die Autos sie im echten Leben ein.

So lag der Verbrauch auf der Straße 2001 nur 8 Prozent höher als unter Idealbedingungen auf dem Prüfstand – bis 2017 weitete sich diese Kluft auf 40 Prozent. In Wahrheit hätten die Autos also nur etwa die Hälfte der Einsparungen erbracht, die sie auf dem Papier auswiesen. Deshalb gebe heute jeder Autofahrer etwa 400 Euro im Jahr mehr für Sprit aus als die Herstellern behaupten, haben die Experten errechnet. Außerdem torpediere das die Anstrengungen beim Klimaschutz, unterminiere das Vertrauen in die Autoindustrie und enthalte dem Fiskus Steuereinnahmen vor, die auch nach dem CO2-Ausstoß berechnet werden, schreibt der ICCT. 2017 kassierte etwa der Bund knapp 9 Milliarden Euro an Kfz-Steuern. Rechnet man mit den Realverbräuchen, könnten das etwa 20 Prozent mehr sein.

Nach den Realverbräuchen könnte der Bund 20 Prozent mehr Kfz-Steuern einnehmen

Dass die Lücke sich nun erstmals leicht schließt, lässt Peter Mock vom ICCT „vorsichtig optimistisch sein“: Das liege vor allem am neuen WLTP-Messverfahren, das für Neuwagen ab September 2018 realistischere Prüfungen fordert. Das neue Verfahren allein reiche aber nicht aus. Vielmehr müsse die EU darauf achten, dass die Hersteller nicht ab 2021 wieder begännen, „bei den Verbräuchen zu tricksen“.

Ende 2018 hatte sich die EU auf schärfere CO2-Grenzwerte geeinigt. Demnach müssen die CO2-Emissionen der Fahrzeuge von 2021 bis 2030 um noch einmal 37,5 Prozent sinken. Eine Vorgabe, die nach allen Berechnungen nur mit einem deutlich höheren Anteil an E-Autos zu erreichen ist. Die machten 2018 gerade 1 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland aus, was allerdings fast die Hälfte mehr war als im Vorjahr, wie aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hervorgeht. Knapp 4 Prozent der Neuwagen waren Hy­bridautos mit E- und Verbrennungsmotor. Währenddessen ging die Talfahrt des Dieselmotors weiter. 2018 sank der Anteil von Dieseln an den Neuwagen wegen drohender Fahrverbote und allgemeiner Unsicherheit auf nur noch 32,5 Prozent. Vor drei Jahren waren es noch fast zwei Drittel.