Kommentar Textilbranche: Karatschi liegt bei Dortmund

Ein deutsches Landgericht weist eine Klage zu einem Fabrikbrand in Pakistan ab – wegen Verjährung. Das Verfahren macht dennoch Hoffnung.

Ein Feuerwehrauto löscht einen Hausbrand

Über 250 ArbeiterInnen sind im Oktober 2012 beim Brand in Karatschi ums Leben gekommen Foto: ap

Sie trennen Welten. Doch nun fordert der Manager dasselbe wie seine Kritiker*innen. Patrick Zahn, Geschäftsführer des Textil-Discounters KiK, plädiert für ein Gesetz, das die Verantwortung von Firmen wie seiner eigenen besser regelt. Genau das zu tun, ruft die „Kampagne für Saubere Kleidung“ seit Jahren die Regierungskoalition aus Union und SPD auf – bislang ohne Erfolg.

Gleiche Interessen beider Gegner sind ein gutes Ergebnis des Prozesses um den verheerenden Brand in der KiK-Zulieferfabrik im pakistanischen Karatschi vor über sechs Jahren – auch wenn das Verfahren nach dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom Donnerstag ohne Entscheidung in der Sache zu Ende geht.

Der Anspruch der Opfer auf Schmerzensgeld ist verjährt, erklärte das Gericht und wies mit dieser Begründung die Klage ab. Das kann man für unbefriedigend halten. Dennoch hat der Prozess erhebliche Wirkung erzielt.

Den Kläger*innen, vor allem dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, ist es gelungen, Recht fortzuentwickeln. Sie haben einen Fall konstruiert, der Druck auf die gesamte Textilbranche ausübt. Die Botschaft lautet: Karatschi liegt bei Dortmund. Fehlende Feuerlöscher in 6.000 Kilometer entfernten Zulieferfabriken sind Thema vor deutschen Gerichten. Es wird wohl nicht das letzte Verfahren dieser Art bleiben. Kommt es doch mal zu einem Urteil, könnte es für die hiesigen Konzerne teuer werden.

Deshalb verlangt KiK-Chef Zahn Klarheit. Ein Gesetz, das die Sorgfaltspflichten von Unternehmen regelt, ist aber auch politisch richtig. Es könnte dazu beitragen, die systematische Ignoranz einheimischer Unternehmen gegenüber den Zuständen in ihren Produktionsketten aufzubrechen.

Bisher betreiben sie oft doppelte Standards. Hiesige Werksgelände ähneln Parks, Gewerkschafter sind Co-Manager. In armen Länder wird produziert wie im 19. Jahrhundert, Gewerkschafter werden behindert oder verfolgt. Politische und soziale Rechte aber müssen für alle Menschen gelten. Diese Forderung ist nun deutlicher zu hören als vorher. Hallo, Bundesregierung!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.