Wie ein achtbeiniger Organismus

Nach der Schließung der alten Wahlheimat Bassy und einem Zwischenstopp im Roadrunners nun also im Ballhaus Berlin: The Rhythm and Beat Organization spielten am Samstag zwischen Klamauk und Charisma

Von Katy Derbyshire

Was tun, wenn man in einem Laden Hausband ist und der Laden schließt? Was tun, wenn man gepflegt vor sich hin altert und das Publikum gleich mit? Man probiere sich durch neue Spielstätten und hole den Nachwuchs auf die Bühne.

The Rhythm and Beat Organization fing im Jahr 2000 als wöchentliche öffentliche Probe in einem Kellerlokal in Berlin-Mitte an, und deren Auftritte riechen immer noch stark nach Improvisation, Cuba Libre und Zigaretten. Zwei Schlagzeuger, zwei Bassisten, vier Sängerinnen, fünf Sänger, vier Gitarristen, ein Sitarist, zwei Keyboarder, vier Bläser, zum Teil in Personalunion … Habe ich jemanden vergessen? Ich kann beim Tanzen so schwer zählen. Alles zusammengehalten vom roten Faden im Satinhemd – Sänger, Mundorgler, Pfeifer und Maracasschüttler Olivier –, der sich traditionsgemäß im Laufe des Abends ordentlich aufdröselt. Natürlich passen so unübersichtlich viele Leute niemals gleichzeitig auf eine Bühne, weswegen das ohnehin gut aussehende Publikum durch pausierende Musiker*innen noch verschönert wird.

Nach der Schließung der alten Wahlheimat Bassy und einem Zwischenstopp im gut versteckten Roadrunners nun also im Ballhaus Berlin. Oft baut die Truppe ein Gimmick ein: zum Bandjubiläum parallel auf zwei Bühnen spielen, Live-Auferweckung des eingesargten Sängers durch die Kraft der Musik, Mods versus Rockers. Diesmal nicht; es geht wohl darum, einen neuen Veranstaltungsraum auszuprobieren und sich einem neuen Publikum ins Herz zu spielen. Und zwar mit Rhythm & Blues, Soul und Beat-Musik, fast alles Coverversionen, alles mit Hingabe und Können dargeboten. Wie man sich vorstellen kann, satt besetzt und zumindest bis zu den Zugaben überraschend tight – was vor allem an den Bläsern liegt, die sich geschmeidig wie ein achtbeiniger Organismus bewegen.

Blues-Prinz und „falscher Amerikaner“ Lars Vegas dürfte der größte Name des Abends sein; bei zwei Nummern schafft er es, erstaunlich entspannt inmitten des Kabelsalats zu wirken. Starke Konkurrenz kommt von Lady Swan und Sister Jack, zwei Sängerinnen mit Engelsgeduld und Präsenz. Leider scheint Soulwucht Torben nicht ganz auf voller Power zu singen; sein vollbrünstig leidendes „Try a Little Tenderness“ vorletztes Jahr im Bassy bleibt in meine Erinnerung geätzt. Auch die Versuche, die Tischtelefone im Ballhaus zu thematisieren, fallen etwas flach.

Einen Clou gibt es doch: diesmal darf „unsere Jugend“ mitmischen. Innerhalb der Beat Organization spielt schon der erste Sohn am Bass mit. Und die taufrische Vorband Hurvínek – „Wir wissen nicht, wessen Kinder sie sind“ – wechselt zwischen Pfirsichflaumcoolness und Hi-Energy mit ihren R’n’B-Nummern, die Kippen schon fest im Mundwinkel implantiert. Sie bringt eine Fangemeinschaft mit, die die Tanzfläche zunehmend verjüngt; während wir Älteren abschwächeln, tanzt sich die jüngere Garde nach vorne. Liebenswert chaotischer Höhepunkt des Abends: die Hurvínekler*innen klettern für ein Abschlusslied – „Going up the Country“ – mit auf die Bühne, Mikrofone und Notenständer fliegen ein letztes Mal ins Publikum, die alten Männer klopfen sich mit den Jungen ums Rampenlicht. Unklar, ob Abgebrühtheit oder Enthusiasmus den Generationenkonflikt gewinnt.

Zwischen Klamauk und Charisma passt die Beat Organization recht gut ins Ballhaus. Zwar klingen die 60er-Lieder mitten im 20er-Ambiente leicht fehl am Platz; durch die Übersteigerung der Beat-Rhythmen weiß die Band aber die Jugendlichen zu Exzessen aufzuputschen. Und Exzesse – dafür sind die Ballhäuser bekannt und beliebt. Wer mehr davon erleben mag, kann die Band voraussichtlich am 13. April noch mal im Ballhaus sehen.