Befreiung von lästigen Vergleichen

Nach einem ersten schwachen Auftrittbeim Weltcup in Oberhof überraschen die deutschen Biathletinnen am Sonntag inder Staffel. Nur die Russinnen zeigen beim letzten Schießen die besseren Nerven

Völlig platt: Denise Herrmann rettet als Schlussläuferin den zweiten Platz ins Ziel Foto: dpa

Aus OberhofAndreas Morbach

Um 12.58 Uhr dröhnte am Sonntag zweimal kurz hintereinander ein kollektives Stöhnen durch das Oberhofer Schneetreiben. Es war die Reaktion der meisten unter den 21.600 Zuschauern am Grenzadler auf die beiden Fehlschüsse von Denise Herrmann. Die Schlussläuferin der deutschen Biathlonstaffel, als Führende in die finale Schießeinlage gegangen, handelte sich in der Liegendübung damit zwei Strafrunden ein. 300 Extrameter, die der 30-jährigen Herrmann und ihren Teamkolleginnen Karolin Horchler, Franziska Hildebrand und Franziska Preuß am Ende den Heimsieg vermasselten. Zufrieden waren die DSV-Frauen beim Sieg des russischen Quartetts trotzdem – dank Rang zwei und einem insgesamt wohltuenden Wochenende.

Dafür brauchte es am Tag nach dem Sprint-Debakel vom Donnerstag – mit Karolin Horchlers 34. Rang als bester Platzierung – aber erst mal eine ausgedehnte innere Einkehr. Auf den Riesenschreck reagierten die deutschen Skijägerinnen und ihr neues Trainer-Duo Kristian Mehringer und Florian Steirer mit einem Rückzug. Anstelle der üblichen Interviews redeten die Athletinnen und die Coaches nur miteinander. „Wir haben offen über die Situation gesprochen, alles analysiert, jeder hat seine Meinung gesagt“, berichtete Preuß – und hielt fest: „Der Tag hat uns gutgetan.“

Diese These untermauerten die Staffelweltmeisterinnen von 2015 und 2017 nicht nur mit ihrem gemeinsam errungenen zweiten Platz am Sonntag. Sondern auch schon 24 Stunden zuvor im zweiten Einzelrennen von Oberhof. Nach dem historisch schlechten Sprint verbesserten sich mit Ausnahme von Nadine Horchler alle DSV-Frauen deutlich. Am klarsten die 24-jährige Preuß, die von Platz 45 auf Rang sechs sprang. „Ich bin das Rennen schon aggressiv angegangen und dachte mir: ‚Heut hau ich euch weg, ihr blöden Scheiben‘“, erzählte sie. Nun freut sie sich „total“ auf ihr persönliches Heimspiel in den Chiemgauer Alpen.

Die Ruhpoldinger Wettkämpfe beginnen am Mittwoch mit dem Männer-Sprint, am Donnerstag legen dann die Frauen los. Für den DSV werden, sofern keine neuen Erkrankungen hinzukommen, auch Vorzeigefrau Laura Dahlmeier und die dreimalige Staffelweltmeisterin Vanessa Hinz wieder mit von der Partie sein. „Der Sprint vom Donnerstag ist schon Geschichte“, blickte Preuß daher entschlossen nach vorne und betonte: „Das Staffelergebnis gibt uns ganz viel Mut für die nächsten Rennen.“

„Das gibt uns ganz viel Mut für die nächsten Rennen“

Franziska Preuß

In der zuvor einzigen Staffel des Winters in Hochfilzen waren die deutschen Frauen im Dezember im Pillerseetal noch als Siebte über den Zielstrich gelaufen. Das Resultat war da noch symptomatisch für die schwierige Saison im Team, das sich im Thüringer Wald nun aus der Krise arbeitete.

Aufatmen durfte deshalb auch das frische bayerisch-österreichische Trainer-Duo, das im Dezember meist vergeblich auf positive Resultate wartete. Aus ihrem Team schaffte es bislang nur Laura Dahlmeier kurz vor Weihnachten in einem Einzelrennen aufs Siegerpodest, als Sprint-Zweite von Nove Mesto. Die entsprechenden Dauerdiskussionen um ihre Abhängigkeit von Dahlmeier ging den deutschen Skijägerinnen zunehmend auf die Nerven. „Wenn du versuchst, deine Leistung zu bringen, und dabei immer verglichen wirst – das ist für niemanden schön“, gab Co-Trainer Steirer einen Einblick in das Innenleben der Mannschaft. „Und als Spitzensportler magst du so etwas schon gar nicht.“

Nach der Verfolgung stellte der 37-Jährige nun fest: „Der Sprint war ein Schuss vor den Bug zur richtigen Zeit.“ Und Franziska Hildebrand, mit 31 Jahren die Älteste im Team, hielt fest: „Jede, die da bei uns an den Start geht, hat Qualitäten beim Laufen und Schießen.“