Arbeitsuche auf der Straße: Regierung will Tagelöhner abschaffen

Ein Gesetzentwurf soll das Anbieten eigener Arbeitskraft im öffentlichen Raum verbieten. AktivistInnen und der DGB lehnen die Pläne ab.

Männer stehen vor einem Gebäude

Warten auf einen Tagesjob in Berlin Foto: imago/Christian Ditsch

BERLIN taz | Die Bundesregierung will das Anbieten der eigenen Arbeitskraft auf der Straße erschweren. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Finanzministeriums vorgelegt. Demnach soll es künftig verboten sein, die „Arbeitskraft als Tagelöhner im öffentlichen Raum aus einer Gruppe heraus anzubieten“, wenn Schwarzarbeit oder illegale Beschäftigung so erleichtert werden können.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) – eine Einheit des Zolls – soll Verstöße künftig mit Platzverweis und Bußgeld bis zu 5.000 Euro ahnden können. Die FKS soll so die sogenannten Tagelöhnerbörsen auflösen und „die Arbeitsuchenden in eine legale Beschäftigung […] bringen“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Das Ausbeutungsrisiko für Arbeitsuchende sei bei dieser Form der Tagelöhnerei besonders hoch.

Der Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK) bezweifelt, dass die neue Bestimmung für die Betroffenen hilfreich ist, und lehnt die Gesetzesänderung ab. Zwar gebe es auf den Tagelöhnerbörsen in vielen Großstädten Ausbeutung und auch Zwangsarbeit. Doch Personen, die sich so Arbeitsmöglichkeiten suchen müssen, hätten „häufig keine anderen Möglichkeiten, ihren Unterhalt zu sichern“, heißt es in einer Stellungnahme des KOK: „Ohne den dort Arbeitsuchenden andere Erwerbsmöglichkeiten oder anderweitige Unterstützung anzubieten, ist eine schlichte Verlagerung des Problems zu befürchten.“

Annelie Buntenbach, DGB

„Die Verantwortung wird den betroffenen Arbeitnehmern zugeschoben“

Auch der DGB sieht den Vorstoß kritisch. „Mit dem Verbot wird die Verantwortung für eine illegale Beschäftigung den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugeschoben, statt durch Kontrollen diejenigen zu belangen, die Menschen illegal beschäftigen oder sogar ausbeuten“, sagt Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der taz. Die Abhängigkeit beim Zustandekommen illegaler Beschäftigung werde „verdreht“.

Die Reformpläne richten sich faktisch vor allem gegen arme EU-AusländerInnen aus Osteuropa. Denn auch der Anspruch von EU-AusländerInnen auf Kindergeld soll nach dem Willen des Finanzministeriums künftig stark eingeschränkt werden, wenn diese keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. „Im Bereich des Kindergeldes hat seit mehreren Jahren die missbräuchliche Beantragung in organisierter Form zugenommen“, heißt es in der Gesetzesbegründung.

Dieser Anspruch war erst Ende 2016 nach einem Urteil des Bundessozialgerichts eingeführt worden. Die Pläne des Finanzministeriums seien gleichbedeutend mit einer „Kriminalisierung von Armut“, sagt Claudius Voigt von der Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender in Münster.

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