WLAN in hannoverschen Unterkünften: Obdachlose ohne Netz

Eine Wohnungslose aus Hannover kritisiert, dass es in Tagestreffs selten PCs und langsames Internet gibt. Unterkünfte der Stadt bieten gar nichts.

Obdachloser steht unter einer Brücke in Hannover

Für ihn ist der Zugang zum Internet schwierig: Obdachloser Foto: dpa

HANNOVER taz | Stefanie Menzel geht nicht gern in die Tagestreffs für Obdachlose in Hannover. Denn in manchen dieser Einrichtungen gibt es weder WLAN noch PCs. Die Wohnungslose will sich aber online über aktuelle Nachrichten informieren, nach Wohnungen suchen oder ihre Mails checken. „Im Tagesaufenthalt Nordbahnhof gibt es zwar zwei PCs“, sagt die 40-Jährige, „aber die sind sehr langsam. Wenn ein Nachbar nebenan Youtube-Videos guckt, kriegt man selbst die Seite nicht mehr aufgebaut.“

Menzel wünscht sich mehr Computer in den Tagestreffs und freies WLAN, damit sich die Wohnungslosen auch mit dem Smartphone einwählen können, sofern sie eines haben. Die gelernte IT-Systemelektronikerin selbst hat keines. „Gebrauchte Tablets im Tagestreff wären gut.“

In den drei Tagestreffs der Diakonie gibt es bisher tatsächlich noch kein WLAN. „Aber wir haben dieses Thema auf der Agenda“, sagt Norbert Herschel, der Leiter der Zentralen Beratungsstelle des Diakonischen Werkes Hannover. In den kommenden sechs Monaten solle WLAN in den Treffs eingerichtet werden. Im Tagestreff Dük gebe es aber bereits zwei PCs, an denen die Besucher*innen für dreißig Minuten im Internet surfen könnten. „Die PCs sind regelmäßig frequentiert“, sagt Herschel.

In den anderen beiden Treffs der Diakonie, dem Kontaktladen Mecki und dem Begegnungsraum Kompass seien PC-Arbeitsplätze hingegen nicht möglich, da die Räume zu klein seien. „Dort ist es schon jetzt knalledicke voll“, sagt Herschel.

In Unterkünften gibt es kein WLAN

In den drei Einrichtungen der Selbsthilfe für Wohnungslose (Sewo) gibt es je zwei Computer und WLAN. Einer der Treffs ist der Nordbahnhof. Dass die PCs dort besonders langsam sein sollen, hört Geschäftsführerin Petra Tengler zum ersten Mal. „Sie stehen dort aber auch nicht, um Filme zu gucken“, sagt sie, „sondern zur Informationsbeschaffung.“ Mehr PCs hält Tengler nicht für notwendig.

Im Oktober 2017 hat die Bundesregierung das Telemediengesetz geändert und damit die sogenannte Störerhaftung abgeschafft.

Anbieter eines frei verfügbaren WLAN können nun nicht mehr auf Schadensersatz verklagt werden, wenn jemand illegal Musik oder Filme herunterlädt. Zuvor galt, dass der Anbieter haftete.

Behörden dürfen die WLAN-Betreiber nun außerdem nicht dazu verpflichten, Nutzer zu registrieren, ihr WLAN zu verschlüsseln oder dauerhaft zu schließen.

Die Rechteinhaber, zum Beispiel an Musik, können aber vor Gericht erstreiten, dass der WLAN-Anbieter verhindert, dass es erneut zu dem gleichen Rechtsbruch kommt: Durch eine solche Nutzungssperre bestimmter Informationen soll das geistige Eigentum geschützt werden.

In den zwölf Unterkünften für wohnungslose Männer, Frauen und Familien der Stadt Hannover gibt es laut einer Stadtsprecherin kein frei zugängliches WLAN. Das sei auch nicht geplant, da es nicht zu den Mindestanforderungen gehöre. „Obdachlosenunterkünfte sollen vor den Gefahren einer Übernachtung im Freien schützen“, sagt die Sprecherin.

Dirk Machentanz von der Gruppe Linke und Piraten im Rat der Stadt Hannover hat eine andere Auffassung. „Obdachlose Menschen brauchen einen Internetanschluss, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können.“ Die Stadt müsse sich hier mehr engagieren. „Es geht nicht um viel Geld“, sagt Machentanz. „So teuer sind Computer heute nicht mehr.“

In der Stadt bilden SPD, Grüne und FDP eine Koalition. Für die Tagestreffs sei die Stadt nicht verantwortlich, sagt die Ratspolitikerin Katrin Langensiepen von den Grünen. Für die Unterkünfte hätten sie das WLAN bereits auf die politische Agenda gesetzt, die Verwaltung habe es aber nicht konsequent genug umgesetzt. „In jeder Jugendherberge ist das machbar“, sagt Langensiepen. „Ich habe nie verstanden, was daran so schwierig sein soll.“

Zumindest WLAN ist in Hannover mittlerweile an mehreren Stellen frei zugänglich. Der Internetanbieter HTP hat in Kooperation mit dem lokalen Verkehrsunternehmen Üstra neun Hotspots in der Innenstadt eingerichtet, in die sich jeder einloggen kann. Und auch die nicht-kommerzielle Initiative Freifunk hat in Hannover und der Region inzwischen 1.200 Router aufgestellt, unter anderem in sieben Flüchtlingsunterkünften in Hannover.

Freies Internet in Hannover

„Internet ist ein Grundrecht, genau wie Wasser und Strom“, sagt der Informatiker und Freifunker Bernd Schittenhelm. Der Freifunk beruht darauf, dass Menschen ihr Internet mit anderen teilen, indem sie einen Freifunkrouter aufstellen, der öffentlich zugänglich ist. „Es darf nicht bei den Obdachlosen gespart werden“, sagt Schittenhelm. Er wünscht sich finanzielle und personelle Unterstützung von der Stadt Hannover, denn die Freifunker stellen die Router in ihrer Freizeit auf.

„Wenn es mit Freifunk machbar ist, den Leuten WLAN zu verschaffen, warum nicht“, findet Langensiepen. Die wohnungslose Menzel hofft auf eine schnelle Lösung. Das freie WLAN in der Innenstadt sei im Winter keine Alternative. „Es ist nicht nur zu kalt, es fehlen auch Steckdosen“, sagt sie.

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