„Ein Symbol für viele Missstände“

Grünen-Parlamentarierin und Mietexpertin Katrin Schmidberger hält Volksbegehren gegen Deutsche Wohnen für gerechtfertigt

Mieter und Mieterinnen von der Karl-Marx-Allee protestieren im Dezember 2018 vor der SPD-Zentrale gegen die Machen­schaften der Deutsche Wohnen Foto: Christian Mang

Von Stefan Alberti

taz: Frau Schmidberger, trägt die Deutsche Wohnen zu Recht den Titel „Unbeliebtester Vermieter der Stadt“? Finanzsenator Matthias Kollatz von der SPD hat sie jetzt so genannt.

Katrin Schmidberger: Ja. Wobei ich immer sage: Wir haben viele Wohnungsunternehmen in Berlin, die ähnliche Methoden anwenden.

Ähnliche Methoden – was macht denn die Deutsche Wohnen samt Konsorten konkret, um sich den Titel zu verdienen?

Da reicht die Liste von überhöhten Mieterhöhungen bis zur Unterlassung von Instandsetzungen und überteuerter Modernisierung. Oft auch mit rechtlich fragwürdigen Methoden. Da hat sich die Deutsche Wohnen als größter Anbieter mit ihren 110.000 ­Wohnungen in Berlin über viele Jahre schon einen Ruf erarbeitet. Es ist ja schon bezeichnend, dass so viele Menschen aus so vielen Bezirken sich an uns wenden, verzweifelt von ihren Sorgen mit der Deutsche Wohnen berichten und um Unterstützung bitten.

In der Karl-Marx-Allee genügte im November schon die Ankündigung, die so schlecht beleumundete Deutsche Wohnen würde mehrere Hundert Wohnungen übernehmen, um viele Mieter auf die Barrikaden zu bringen.

Das wundert mich nicht. Die Deutsche Wohnen war mit ihrem Chef, Herrn Zahn, auch schon öfter bei uns im Stadtentwicklungsausschuss im Parlament und hat dabei nie eine Bereitschaft signalisiert, von ihrer bisherigen Geschäftspolitik abzurücken.

Die Sie wie definieren würden?

So viel Profit aus ihren Wohnungen wie möglich herauszupressen, egal ob der jetzige Mieter das zahlen kann oder nicht. Die Deutsche Wohnen ist ein Symbol für viele Missstände in der deutschen Wohnungspolitik. Im Grunde personifiziert sie ein ungerechtes Mietrecht, das der Gewinnmaximierung und Spekulation mit Wohnraum nicht klare Grenzen setzt. Aber darüber entscheidet leider der Bundestag, nicht das Abgeordnetenhaus. Von daher ist es nur verständlich, dass die Leute anfangen, sich zu wehren …

Sie meinen das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, für das die Sammlung von Unterstützerunterschriften im April starten soll. Wie stehen Sie, wie steht die Grünen-Fraktion dazu? Die Linkspartei hat bereits beschlossen, das Volksbegehren zu unterstützen.

Wir finden, dass das Volksbegehren eine sehr wichtige und dringend notwendige Debatte anstößt. Vermieter haben eine soziale Verpflichtung und müssen sich an Regeln halten. Wir müssen alle zur Verfügung stehenden Mittel gegen Wohnungsnot und zunehmende Spekulation nutzen …

Nämlich?

Milieuschutz, Vorkaufsrecht, eine schlagkräftige Bauaufsicht durch ausreichend Personal in den Bezirksämtern, Neubau – und im Zweifelsfall eben auch die Enteignung. Aber, als rot-rot-grüne Landesregierung dürfen wir nicht warten, bis ein Volksbegehren kommt. Wir können jetzt schon handeln, schließlich wurden wir auch dafür gewählt, eine andere Wohnungspolitik zu machen.

Nicht warten, sondern was tun?

Wer sich in der Regierung an die Spitze der Bewegung stellt, der muss auch für die politische Umsetzung sorgen, also sagen, wie das Volksbegehren rechtssicher umgesetzt werden kann.

Sie meinen die Linkspartei mit ihrem Parteitagsbeschluss?

Genau. Den Worten müssen auch Taten folgen. Senatorin Lompscher ist nun in der Pflicht, schon mal eine entsprechende Gesetzesvorlage zu erarbeiten.

Foto: privat

Katrin Schmidberger

36, ist in der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus Sprecherin für Wohnen und Mieten. Sie stieß mit 18 in ihrem Geburtsland Bayern zu den Grünen, kam 2002 nach Berlin und 2011 ins Landesparlament.

Eine Entschädigung für eine Enteignung würde viele Mil­liar­den kosten – Milliarden, die dann nicht für Neubau, Schulen, Bus und Bahn oder Polizei zur Verfügung stünden, Dinge, für die auch die Grünen mehr Geld ausgeben wollen. Wie passt das zusammen?

Ich sehe das Volksbegehren als Baustein und langfristige Maßnahme auf dem Weg zu Rekommunalisierung. Unser Vorbild ist Wien, wo 60 Prozent aller Wohnungen gemeinwohlorientiert ausgerichtet sind – in Berlin sind es nur 30 Prozent.

Langfristig enteignen? Wie soll das gehen?

Rekommunalisierung ist keine Enteignung. Es wird doch nicht so laufen, dass von heute auf morgen jede einzelne Wohnung der Deutsche Wohnen und anderer Großvermieter an das Land Berlin übertragen wird oder – wie es der Regierende Bürgermeister angekündigt hat – zurückgekauft wird. Wir fangen ja gerade erst an, zu diskutieren, welche rechtlichen und finanziellen Hürden es gibt und wie sich der Vorschlag der Ini­tia­tive praktisch umsetzen ließe. Mit dem Volksbegehren betreten wir ja juristisch wie politisch Neuland.

Nun hat aber der Finanzsenator am Dienstag klargemacht, dass aus seiner Sicht eine Enteignung oder ein massenhafter Rückkauf vom Land Berlin nicht zu bezahlen ist. Wie soll das also zu finanzieren sein?

Das müssen wir in der Ko­ali­tion jetzt diskutieren. Die Erhöhung des öffentlichen Wohnungsbestands auf 400.000 Wohnungen steht immerhin im Koalitionsvertrag. Der soziale Frieden in unserer Stadt sollte uns allen viel wert sein. Außerdem muss ja nicht das Land Berlin alle privaten Wohnungsbestände übernehmen – es gibt auch genug gemeinwohlorientierte Bauträger, Stiftungen und Genossenschaften, die wir als Verbündete stärker einbinden müssen.