Nie gehörte Klänge

Er gründete die Firma, die für kurze Zeit eines der hippsten Unternehmen der Welt wurde: Am Sonntag starb der Synthesizer-Erfinder Robert Moog

Trotz seiner Klientel aus dem Rock-Geschäft hielt der Familienvater von „Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll“ Abstand

VON TILMAN BAUMGÄRTEL

Trumansburg ist ein Nest in den Appalachian Mountains im amerikanischen Bundesstaat New York. Fünf Kirchen und fünf Bars, jeder kennt jeden. Trumansburg ist so ungefähr der abwegigste Ort, wenn man eine Firma aufmachen will, die für eine kurze Zeit eins der hippsten und einflussreichsten Unternehmen der Welt werden sollte. Trotzdem verschlug es den New Yorker Ingenieur Robert Moog 1963 in das Bergkaff.

Dort mietete er einen kleinen Laden, stopfte ihn mit Elektronikbauteilen voll und ging mit einer Hand voll Angestellten daran, mysteriöse Riesenkisten zusammenzubauen und in alle Welt zu verschicken. Die Kisten sollten die Art, wie Popmusik klingt, genauso verändern wie die Art, wie Popmusik produziert wird. Und sie sollten den Namen von Bob Moog zu einer Legende in der Nachkriegsmusik machen. Die Kisten waren die ersten spielbaren modernen Synthesizer.

Bald standen die Musiker in Trumansburg Schlange, um einen von Moogs Synthesizern kaufen zu dürfen – obwohl die 1964 mehr kosteten als ein gut ausgestatteter Mercedes. Die Beatles, die Stones und Keith Emerson von Emerson, Lake and Palmer gehörten zu den ersten Kunden, aber auch Avantgarde-Komponisten wie Karlheinz Stockhausen oder Vladimir Ussachevsky, später die Prog-Rocker von Yes und Tangerine Dream. Schon bald war der Moog in Stücken wie „Because“ und „Maxwell’s Silver Hammer“ von den Beatles oder in Stockhausens Mammutkomposition „Hymnen“ zu hören. Der große Hit, der dem Moog zum endgültigen Durchbruch verhalf, war „Switched-on Bach“ von Walter Carlos, der klassische Kompositionen auf dem Moog interpretierte.

Die ersten Musiker, die sich an den Moog wagten, bekamen es mit einem Apparat zu tun, der wenig Ähnlichkeit mit einem traditionellen Musikinstrument hatte. Er erinnerte eher an die Schaltschränke, an denen das Fräulein vom Amt einst Telefonverbindungen zusammenstöpselte. Den Schrankkoffer-artigen Kisten musste man Klänge dadurch abtrotzen, dass man ihre verschiedenen Module mit Kabeln verband. Das konnte mehrere Stunden dauern. Wenn man einen Klang gefunden hatte, der einem gefiel, nahm man ihn besser sofort auf. Denn wegen der komplizierten Bauweise des Moog war es nicht sicher, ob man diesen Klang jemals wieder genauso hinkriegen würde.

Die ersten Moog-Synthesizer waren reine Studioinstrumente, für Live-Auftritte war ihre Analogtechnik zu unzuverlässig. Manche Musiker nahmen sie trotzdem mit auf Tournee – wie Keith Emerson, der sich in den 70er-Jahren als genialischer Virtuose des Moogs aufführte und sein Instrument bei Konzerten in besonders begnadeten Momenten sogar mit dem Messer attackierte, um seiner Hassliebe Ausdruck zu verleihen.

1971 brachte Robert Moog mit dem Mini-Moog einen transportablen und leichter zu bedienenden Synthesizer auf den Markt, dessen dickflüssiger, runder Sound auf Stücke wie Kraftwerks „Autobahn“ oder Donna Summers „I feel love“ zu hören ist. Aber der Mini-Moog prägte auch den Free Jazz eines Sun Ra oder den Funk von Parliament oder Stevie Wonder, bis digitale Synthesizern die Moog-Instrumente ablösten. In den 80er-Jahren entdeckten die Produzenten von HipHop und Techno den warmen Klang des inzwischen historischen Instruments neu.

Obwohl der 1934 geborene Moog mit vielen Rockstars der 70er-Jahre zu tun hatte, hat der Familienvater von „Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll“ Abstand gehalten. Ihm genügte es, Instrumente zu bauen, die nie zuvor gehörte Klänge produzierten. Sein Studium hatte er sich mit dem Bau von Thereminen verdient, einem frühen elektronischen Instrument, das seine ätherischen Geräusche mit der Hilfe einer Antenne produzierte. Anfang der 1960er-Jahre begann er zusammen mit dem akademisch geschulten Komponisten Herbert Deutsch an einem Synthesizer zu arbeiten, der leichter zu bedienen sein sollte als die ersten Prototypen, die zu dieser Zeit in Forschungslaboren und Universitäten entwickelt wurden. „Das Wichtigste für mich war immer, dass ich meine Instrumente nicht für mich selbst baue“, sagte Moog später. „Ich bin ein Werkzeugmacher. Ich baue Sachen, die andere Leute haben wollen.“

Vom Erfolg seiner eigenen Instrumente hat er allerdings wenig gehabt. Der passionierte Ingenieur, der ganz den Klischee entsprechend immer mit einer Brusttasche voller Kugelschreiber herumlief, besaß keinen Geschäftssinn. Seine Firma musste er wegen hoher Schulden verkaufen. Er verließ sie 1977. Später baute er unter dem Firmennamen „Big Briar“ elektronische Elemente auf Bestellung. Zu seinen Kunden gehörten in dieser Zeit Nine Inch Nails, Pearl Jam, Phish und Sonic Youth.

Am Sonntag, dem 21. August, ist Bob Moog im Alter von 71 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors gestorben. In seinen letzten Jahren war der umgängliche und auskunftsfreudige Bastler nicht nur zu einem beliebten Redner bei Musikkongressen geworden. Er durfte auch noch miterleben, wie die Klänge seines analogen Instruments von einer neuen Generation digitaler Programme simuliert und damit endgültig unsterblich gemacht wurden. Seine Originalinstrumente werden inzwischen zu Sammlerpreisen gehandelt, die oft über ihren Neupreis liegen.