Abwechslung in einer Tour

Der deutsche Radprofi André Greipel ist erstmals in Gabun beim Etappenrennen Tropicale Amissa Bongo dabei und derzeit Gesamtdritter. Der Weltverband will möglichst bald eine Rad-WM in Afrika ausrichten

Sehenswert: die Strecken bei den sieben Etappen Foto: imago

Von Tom Mustroph

Spöttische Zungen könnten sagen: Jetzt kommt er heim, der Gorilla. „Gorilla“ lautet einer der Kampfnamen des muskulösen Radsprinters André Greipel. Seinen Saisonauftakt bestreitet er diese Woche bei dem Etappenrennen Tropicale Amissa Bongo in Gabun. Und das ist für seine Nationalparks und Gorilla-Populationen – geschätzt 25.000 Exemplare – bekannt. Bekannt ist im deutschsprachigen Raum Gabun auch noch durch Lambarene: Dort gründete der spätere Friedensnobelpreispreisträger Albert Schweitzer 1913 sein Urwaldspital, für das vom Geiste der Solidarität beseelte Kinder in Ost- und Westdeutschland in den 60er und 70er Jahren Verbände wickelten. Heute ist das Spital ein großes Krankenhaus, und zuweilen führt auch die ­Tropicale Amissa Bongo durch den Ort.

Das Rennen wird seit 2006 ausgetragen und trägt den Namen der damaligen Präsidententochter Amissa Bongo. Sie war damals schon 13 Jahre tot; das Rennen macht ihren Namen nun auch in Europa bekannt. Die Familie Bongo regiert das Land seit 52 Jahren, knapp 42 Jahre war Vater Omar an der Macht, nach seinem Tod 2009 folgte Sohn Ali. Omar Bongos Geburtsort wurde selbstverständlich in Bongoville umbenannt, und genauso selbstverständlich taucht Bongoville auch im Parcours der Tropicale Amissa Bongo auf. Auf der zweiten Etappe am Dienstag fuhr Neuling Greipel als Zweiter über die Ziellinie, am Mittwoch reichte es für den fünften Platz. In der Gesamtwertung wird er derzeit als Dritter geführt.

Sportlich dominierten bisher französische Teams die Rundfahrt. Elf der 13 Ausgaben teilten sich Française des Jeux, Europcar und Direct Energy auf. Rekordhalter mit drei Gesamtsiegen ist ebenfalls ein Franzose: Anthony Charteau, 2010 immerhin Bergkönig der Tour de France. Dass Greipel jetzt in Gabun auftaucht, ist auch durch seinen Wechsel zum zweitklassigen französischen Rennstall Arkéa-Samsic bedingt. In die französische Siegesphalanx könnte in diesem Jahr allerdings die Abordnung des italienischen Zweitdivisionärs Androni Giocattoli einbrechen.

Zu beachten ist bei dem Rennen über sieben Etappen Team Ruanda. Es stellt mit Joseph Areruya den Titelverteidiger. Areruya war 2018 zudem Sieger der Africa Tour der UCI. Sie geht traditionell vom Oktober bis zum September des Folgejahres und umfasste in der letzten Saison 17 Rennen. Die bekanntesten sind die Tour du Faso, die Tour of Ruanda und die Tropicale. Der Kalender war etwas dünner als erwartet, weil zahlreiche Rennen abgesagt wurden.

Die Tropicale Amissa Bongo wird von Teilnehmern als solide eingeschätzt. Nikodemus Holler, Gesamt-Zweiter im letzten Jahr, erklärte gegenüber dem Magazin Velomotion: „Die Tropicale in Gabun ist eine der wichtigsten Rundfahrten Afrikas. Sie entspricht sowohl organisatorisch als auch von der Qualität des Starterfeldes dem 2.1-Status. Da wird dann schon mal ein Transfer über 400 Kilometer kurzerhand mit dem Flugzeug absolviert. Davon können selbst die meisten europäischen Rundfahrten nur träumen.“ Holler, Profi beim Team Bike Aid, das in diesem Jahr nicht den Afrika-Trip unternimmt, war vor allem von der Begeisterung der Zuschauer überrascht.

Gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Anfahrt zu den Etappen: Mehrere Teams nutzen die zur Verfügung stehenden Busse gemeinsam. „Wir teilten uns einen mit der äthiopischen Nationalmannschaft. Ziemlich witzige Typen, mit denen wir immer eine gute Zeit hatten“, meinte Holler. „In Gabun wird einem schwer langweilig. Es gibt immer was zu sehen. Das ständige Treiben in den Ortschaften oder die erlegten Tiere im Dschungel, die zum Verkauf am Straßenrand aufgehängt werden. Da ist von der Schildkröte über ein Krokodil bis hin zum Affen eigentlich alles dabei.“

Neue Erfahrungen warten also auf Greipel & Co. Geht es nach dem Radsportweltverband UCI, sind sie Botschafter einer besseren Zukunft des Radsports in Afrika. UCI-Präsident David Lappartient will unbedingt eine Rad-WM auf dem Kontinent ausrichten und hat die afrikanischen Verbände aufgefordert, bis September 2019 Bewerbungen für die WM 2025 abzugeben. Sportlich zumindest wirkt solch ein Vorhaben angemessener als etwa die WM in Doha 2016; afrikanische Radsportler machen in den World-Tour-Rennen eine immer bessere Figur. Und einer der Stars des afrikanischen Radsport, Daniel Teklehaimanot, 2015 Träger des Bergtrikots bei der Tour de France, nimmt für Team Eritrea auch an der aktuellen Tropicale Amissa Bongo teil.