BMW macht erst mal Ferien vom Brexit

Autobauer BMW geht auf Nummer sicher. Nach dem voraussichtlichen Brexit am 30. März steht in seinen vier Werken in Großbritannien die Produktion still. „Wir haben unsere üblichen Wartungsperioden aufgrund des Brexits vorgezogen“, sagt eine BMW-Sprecherin. Sonst werden die Werke im Sommer auf Vordermann gebracht und Maschinen auf neue Modelle umgestellt, in diesem Jahr wird unter anderem die Fabrik in Oxford im April für vier Wochen geschlossen – unabhängig davon, ob es zu einem harten Brexit kommt oder nicht. „Wir haben uns so selbst Planungs­sicherheit geschaffen“, sagt die Sprecherin.

Rund 70.000 Unternehmen in Deutschland sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) vom Brexit betroffen. Ihnen drohen Lieferengpässe, Transportprobleme und zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe. Bei einem harten Brexit werden nach den Regeln der Welthandelsorganisation von heute auf morgen Zölle auf Lieferungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union fällig – und damit zeitraubende Kontrollen an den Grenzen. Sollte das ausgehandelte Abkommen doch noch unterzeichnet werden, ändert sich für die Unternehmen bis Ende 2020 dagegen wenig. Danach würde ein Freihandelsabkommen alles Weitere regeln. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.

Große Unternehmen wie BMW bereiten sich intensiv auf den Brexit in welcher Variante auch immer vor. Die Bayern haben die Lagerkapazitäten in den britischen Werken ausgeweitet und Vorräte angelegt – was bei der in der Autobranche üblichen „Just-in-time“-Fracht, also der Lieferung zeitlich passgenau zur Verarbeitung, eine große Herausforderung ist. Sollte es nach dem Brexit zu gravierenden Lieferverzögerungen kommen, funktioniert just in time nicht mehr. „Wir haben unsere Logistik­ketten abgesichert“, sagt die Sprecherin. Dazu hat der Automobilhersteller unter anderem seine LieferantInnen geschult. „Es geht darum, bei ihnen ein Bewusstsein zum Beispiel für Zollprozesse zu schaffen“, erklärt sie.

Die großen Konzerne in der Industrie und im Handel haben die Kapazitäten und das Geld, um sich auf verschiedene Varianten des Brexits vorzubereiten, auch wenn das mit massiven Belastungen verbunden ist. Das sieht bei mittleren und kleinen Firmen ganz anders aus, sagt Gregor Wolf, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). „Ein substanzieller Teil der betroffenen Unternehmen in Deutschland scheint noch keine ausreichenden Vorkehrungen für den Brexit getroffen zu haben.“ Diese Firmen haben zum Beispiel ihre Lieferketten nicht geprüft und sichergestellt, dass sie auch nach einem harten Brexit die erforderlichen Vorprodukte erhalten. „Jeder hofft, dass es nicht so weit kommt“, sagt er. Viele Firmen schrecken davor zurück, Investitionen in ein Szenario zu stecken, das dann doch nicht eintritt.

Andere Unternehmen haben dagegen die Produktion von Großbritannien schon in andere Länder ausgelagert. Mit großen Unsicherheiten kämpft beispielsweise die Chemiebranche, da es zahlreiche ungeklärte Fragen etwa bei der Registrierung gibt. Aber auch andere Branchen sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Denn wie es mit der beidseitigen Anerkennung von Standards und Zertifizierungen weitergehen wird, ist unklar. Firmen, die sich jetzt noch mit dem Aufbau von Vorräten gegen den harten Brexit wappnen wollen, könnten bereits zu spät dran sein. Wolf: „Es fehlt an Lagerkapazitäten, sowohl zum Teil in Deutschland als auch in Großbritannien.“

Anja Krüger