Noch 80 Jahre bis zur Parität

Ohne verbindliche Quote würden die hundert umsatzstärksten deutschen Banken rund 80 Jahre brauchen, um in Vorständen eine Parität zwischen Männern und Frauen zu erreichen, so eine neue Studie des DIW

Aus Berlin Lenne Quentin

„Die Geschlechterquote wirkt tatsächlich“, eröffnet Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Pressegespräch am Mittwoch in Berlin. Zusammen mit ihrer Kollegin Katharina Wrohlich präsentiert sie das „Managerinnen-Barometer 2019“, die neue Studie des DIW zu den Frauenanteilen in Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen. Die zwei Wissenschaftlerinnen haben Daten von mehr als 500 Großunternehmen untersucht. Es ist die größte Auswertung dieser Art.

Seit dem 1. Januar 2016 gilt in Deutschland eine Geschlechterquote von 30 Prozent für die Neubesetzung von Aufsichtsräten für börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen. Das betraf damals knapp über hundert Unternehmen. Heute ist klar: In diesen Unternehmen stieg der Frauenanteil in Aufsichtsräten deutlich an. Rund 77 Prozent haben den vorgegebenen Frauenanteil erreicht. Durchschnittlich sind die Aufsichtsräte zu 32,8 Prozent mit Frauen besetzt. Ausschließlich mit Männern besetzte Aufsichtsräte gibt es in diesen Unternehmen gar nicht mehr.

Allerdings zeigen sich erste Hinweise, dass die Unternehmen mit Quotenbindung ihre Anstrengungen, den Frauenanteil zu erhöhen, deutlich zurückfahren, sobald sie die 30-Prozent-Marke erreicht haben. Viele Unternehmen stagnieren laut Studie bei einem Drittel weiblicher Besetzung. „Im Moment ist das für die Unternehmen noch viel Aufwand, Frauen zu ermutigen“, erklärt Wrohlich den Stillstand.

Für Vorstände gibt es keine verbindliche Quote. Die Geschlechterquote für Aufsichtsräte übe „zumindest kurzfristig“ auch keine „Strahlkraft auf die Vorstandsebene“ aus, so Wrohlich. In Vorständen stieg der Frauenanteil nur geringfügig an – egal, ob es für das Unternehmen eine verbindliche Quote für Aufsichtsräte gab oder nicht. Bei Unternehmen mit Beteiligung des Bundes sank der Anteil der Frauen in Vorständen sogar um knapp vier Prozentpunkte zum Vorjahr.

„Im Finanzsektor haben Frauen besonders geringe Chancen aufzusteigen“, sagt Holst. In Banken und Versicherungen sank die weibliche Besetzung in Aufsichtsräten 2018 sogar, obwohl dort mehrheitlich Frauen tätig sind. Das hat laut Studie mit der männlichen Unternehmenskultur und einer stark konservativen Führungsstruktur im Finanzsektor zu tun. Vollzeitarbeit und Überstunden würden belohnt, Teilzeit sei für die Frauen ein Karrierekiller, so Holst. Ohne verbindliche Quote würden die hundert umsatzstärksten Banken rund 80 Jahre brauchen, um in Vorständen eine Parität zwischen Männern und Frauen zu erreichen, prognostiziert die Studie. Das wäre das Jahr 2098.

Dass die Geschlechterquote wirkt, zeigt auch der europäische Vergleich. Länder mit gesetzlicher Quote haben in den höchsten Entscheidungsgremien durchschnittlich mehr als 30 Prozent Frauen. Bei Ländern ohne verbindliche Regelung sind es hingegen nur rund 17 Prozent.

Um den Frauenanteil weiter zu erhöhen, empfehlen die Wissenschaftlerinnen, finanzielle Vorteile für Unternehmen zu schaffen, die Frauen nachhaltig in Führungspositionen integrieren und Sanktionen für diejenigen, die das nicht tun. Neben Eigeninitiative seien auch Anreize nötig, solange es immer noch viele große Konzerne gebe, die sich bewusst eine Zielgröße von null Frauen im Vorstand setzten, so Holst.