talk of the town
: Neue Ehrlichkeit

Manipulation, Tumulte und dubiose Neumitglieder: Beim Männerfußball-Oberligisten Tennis Borussia Berlin spitzt sich die Lage bei einer Mitgliederversammlung zu

Zu linke Fans für den Investor bei Tennis Borussia Berlin? Feier der Berlin-Meisterschaft 2015 Foto: Sebastian Wells/imago

Von Alina Schwermer

Bei Tennis Borussia Berlin (TeBe) ist eine neue Art von Ehrlichkeit eingekehrt. Keine Ehrlichkeit im herkömmlichen Sinne, versteht sich. Sondern möglicherweise ein unbekümmerter Pfusch, so geradlinig, dass er schon wieder ehrlich ist, weil er der Basis ins Gesicht schreit: Eure Meinung ist uns egal, scheißegal nämlich, und zwar so scheißegal, dass wir uns noch nicht mal darum kümmern müssen, das total zu verheimlichen. Am Mittwoch fand bei TeBe eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt, auf Drängen der Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia (TBAF). Teile der Anhängerschaft des Berliner Oberligisten befinden sich schon seit Längerem im Clinch mit dem Investor und Vorstandsvorsitzenden Jens Redlich, dem mächtigen Mann im Verein.

Am Mittwoch ging es um die Neuverteilung von Aufsichtsratsposten und damit um einen Machtkampf zwischen Pro Redlich und Contra Redlich. Da fiel dem Investor ein bauernschlauer Kniff ein: Er soll, so zumindest der Vorwurf vieler Beobachter, einfach neue Wähler herbeigekarrt haben. Das ist selbst Erdoğan oder Putin noch nicht eingefallen, die können ja höchstens Tote abstimmen lassen.

Laut Berichten vieler Fans sollen zahlreiche bis dato nie erblickte Neumitglieder aufgetaucht sein, teilweise nicht der deutschen Sprache mächtig. Ein Lager war dabei erkennbar vom Bau stammend, angeblich ein Reisebus voller Bulgaren, die erklärten, auf Geheiß ihrer Chefs hier zu sein. Einer soll eingeräumt haben: „Wir waren noch nie bei TeBe.“ Die Neuen sollen sich dann während der Veranstaltung im Wesentlichen bei den Freigetränken im Foyer verlustiert haben, fünf Redlich-Getreue landeten im Aufsichtsrat. Waren es früher nach TBAF-Angaben nur 50 bis 100 Stimmen bei Mitgliederversammlungen, zählte man jetzt plötzlich ganze 568 Stimmen.

Redlich selbst pflegte gegenüber der taz eine ganz andere Darstellung der Ereignisse. Die erläuterte er in einem Telefonat, verbot aber später die Verwendung seiner Aussagen. Schade. Gründe, an der Fanversion zu zweifeln, gibt es nicht viele, wenn man die Volten der jüngeren TeBe-Geschichte betrachtet, und nebenbei hat Jens Redlich schon mal ins Fanforum geschrieben, was er von der eigenen, kritischen Anhängerschaft hält: „Der Verein wird durch Euch in die Position des Scheiterns gebracht. Der Verein braucht Euch nicht.“

Die wilden Allein­herrscher sind vor allem ein Phänomen der unteren Ligen

Eine neue Ehrlichkeit eben, man weiß gleich, woran man ist. Keine lauwarmen Behauptungen, die Fans seien die Seele des Vereins und so weiter, keine geheuchelte Dankbarkeit. Von Fans anderer Klubs gab es am Mittwochabend reichlich Beileid, inklusive Verweise darauf, dass so was eben passiert, wenn Investoren in einem Verein allzu viel Macht bekommen. Aber das ist ja nur die halbe Wahrheit.

Die echten Investoren, die großen asiatischen Milliardäre oder die mächtigen Unternehmen, machen das längst anders. Sie sorgen zum Beispiel, wie in Leipzig, von vorneherein in den Strukturen dafür, dass niemand störend mitreden kann. Oder sie halten sich gleich, wie bei Hertha, im Hintergrund, und lassen andere den Blödsinn mit den Fans machen. Die wilden Alleinherrscher, die Ismaiks und Redlichs, sind in Deutschland vor allem ein Phänomen der unteren Ligen. Da ist es lustig und bekloppt, und man kann noch sehen, wie der Fußball funktioniert. Während all die Nostalgiker aus der Bundesliga in den Amateurfußball rennen, weil es da so toll ist. Sie können sich von den Borussen gesagt sein lassen: Da unten ist es so schmuddelig wie oben. Nur sichtbarer.

TeBe selbst wollte groß nach oben, und naiv dazu: Die Satzung ist so löchrig, dass das mögliche Gebaren rund um die Mitgliederversammlung aller Voraussicht nach völlig legal ist. Mit den Vorwürfen der Fans konfrontiert, soll Redlich gesagt haben: „Man muss auf Akquise gehen, wenn man den Verein vergrößern will.“ Und wenn die Fans ihre richtigen Schlüsse ziehen, wird für die Mitgliederversammlungen von TeBe bald das Olympiastadion herhalten müssen. Um die Busse voller Köchinnen oder Kfz-Mechaniker in Empfang zu nehmen, die für das eine oder andere Lager zum Freibier gehen.