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: Die EU will die Dauer von Privatinsolvenzen verkürzen

Schneller schuldenfrei: Nach der Reform des Insolvenzrechts hat sich die Hoffnung aufeinen raschen Neustart nach einer Pleite für viele nicht erfüllt. Das könnte sich nun ändern

Das Neue

Verbraucher und Soloselbstständige in der Schuldenfalle können hoffen: Sie sollen nach einer Pleite ­künftig schneller die Chance auf einen schuldenfreien Neuanfang ­bekommen. Die EU will die Laufzeit von Privatinsolvenzen für Verbraucher und Selbstständige ohne Angestellte auf drei Jahre verkürzen. Heute sind in Deutschland sechs Jahre üblich.

Zwar ist es hierzulande bereits möglich, die Laufzeit auf drei Jahre zu verkürzen. Aber das schaffen bislang nur die wenigsten Betroffenen. Aus Sicht von Insolvenzrechtsexperten sind die Hürden zu hoch. Denn nur, wer innerhalb von drei Jahren mindestens 35 Prozent der Gläubigerforderungen sowie die Kosten des Verfahrens stemmt, kann vorzeitig von der Restschuld befreit werden. Wer weniger oder nichts zurückzahlt, für den gilt die Frist von sechs Jahren.

Betroffene müssen während der Laufzeit der Insolvenz den Teil ihres Einkommens abgeben, der über das Existenzminimum hinausgeht. Besitztümer, sofern sie nicht lebensnotwendig sind, werden gepfändet. Europäisches Parlament, Rat und Kommission haben sich jüngst darauf verständigt, dass diese Phase generell auf drei Jahre verkürzt werden soll.

Der Kontext

Früher wurden überschuldete Verbraucher und Selbstständige ihre Belastung kaum los. Seit 1999 sieht ein gerichtlich geregeltes Insolvenz­verfahren vor, dass ihnen unter bestimmten Bedingungen Schulden erlassen werden können. Im Sommer 2014 wurde es reformiert. Seitdem ist die Befreiung von Restschulden nach drei Jahren statt sechs Jahren unter scharfen Bedingungen möglich. Nach Berechnungen der Wirtschaftsberatung Crif Bürgel erreichten seit Inkrafttreten der Reform insgesamt 7,4 Prozent der Betroffenen einschließlich ehemals Selbstständiger die Restschuldbefreiung nach drei Jahren. Crif Bürgel wertete Daten der Amtsgerichte aus.

Die Reaktionen

Die Richtlinie der EU für eine kürze Frist wird voraussichtlich im Sommer vorliegen. „Sie sollte zügig in deutsches Recht umgesetzt werden“, sagte Kai Henning, Fachanwalt für Insolvenzrecht. „Die bisherige deutsche Regelung wird so nicht bleiben können.“

Das Bundesjustizministerium erklärte auf Anfrage der dpa, man werde sich nach der endgültigen Verabschiedung der Richtlinie so schnell wie möglich an die Umsetzung machen.

Die Konsequenz

Von den neuen Vorschriften dürften allerdings nur Verbraucher profitieren, die in Zukunft in die Schuldenfalle geraten. „Eine Anwendung des künftigen Systems auf Altfälle wäre sehr ungewöhnlich“, sagt Jurist Henning, der Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist.

Die Experten hatten bereits in der Vergangenheit einen Erlass der restlichen Schulden grundsätzlich nach drei Jahren ohne jede Quote gefordert – auch um die Justiz zu entlasten. (dpa, taz)

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