Kolumne Mithulogie: Deutschlands Problem mit Müttern

Felicia und ihre Frau sind beide biologisch Mütter ihres Babys. Doch darauf ist ein deutsches Standesamt im 21. Jahrhundert nicht vorbereitet.

Drei Frauen laufen nebeneinander mit Kinderwagen

In Deutschland kann nur Mutter sein, wer ein Kind gebärt oder adoptiert Foto: dpa

Eine Freundin von mir – und ich benutze das Wort im Sinne von: Frau, deren Texte ich großartig finde – ist vor Kurzem Mutter geworden. Herzlichen Glückwunsch, Felicia Ewert. Das sollte das Ende der Kolumne sein und wir könnten uns alle Bilder von Kätzchen anschauen.

Doch Felicia und ihre Frau sind beide biologisch Mütter des Babys. Und darauf ist ein deutsches Standesamt Anfang des 3. Millenniums nicht vorbereitet.

Denn eine Mutter ist nicht eine Frau, die halt genetisch die Mutter ist, oder die die Rolle der Mutter ausfüllt. Sondern de jure: die Person, die das Kind gebärt. In Felicias Fall ist das ihre Ehefrau. Da es auf Formularen keine zwei Kästchen für Mutter gibt, kann Felicia ihr Kind nur adoptieren. Aber sie ist die biologische Mutter! Dafür müsste sie vorher die Elternschaft aufgeben. Doch was mache ich, wenn das System nicht auf die Menschen passt? Das System ändern? Ha, ha!

Bis vor Kurzem mussten Menschen für eine Transition noch eine Zwangssterilisierung unterlaufen. Damit alles seine Ordnung hat mit dem Kinderkriegen. Und dann kommen die Leute und sagen: Das ist der Beweis, dass zwei Geschlechter halt naturgegeben so sind, weil nur die Frauen Kinder gebären können und nur die Männer Kinder zeugen. Ja klar, wenn alles andere verboten ist, dann ist das natürlich so.

Felicia ist kein Mann

2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das gegen die Menschenrechte verstößt. Immerhin! Japan hat erst am 25. 1. 2019 entschieden, dass trans Menschen selbst über ihre Fruchtbarkeit entscheiden dürfen. Joke! Nein, dass weiterhin zwangssterilisiert wird. Das ist, als würde man sagen: Du kannst nur einwandern, wenn du dich zwangssterilisieren lässt.

In Deutschland hat Felicia „Glück“, darf aber trotzdem nicht Mutter ihres eigenen Kindes sein. Hatte ich erwähnt, dass es ohne Geburtsurkunde auch kein Kindergeld gibt und man keine Elternzeit beantragen kann?

Irgendwann entschied das Standesamt laut „Transsexuellengesetz“ Paragraf 11 „Eltern-Kind-Verhältnis“, sie dann mit falschem, nämlich männlichem, Namen in die Geburtsurkunde als Vater aufzunehmen.

Warum ist das relevant? Weil es zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehört, als die bezeichnet zu werden, die wir sind. Nicht im metaphysischen Sinn, sondern schlicht als richtiges Geschlecht oder Spezies. Ein Mensch ist kein Hund. Und Felicia ist kein Mann. Aber auch, weil Schulen und Ärzt*innen nur Erziehungsberechtigten Informationen geben dürfen. Und weil Grenzbeamte sicherstellen müssen, dass das Kind im Flugzeug nicht entführt wurde. Was passiert, wenn sie den Mann auf dem Papier nicht mit der Frau vor ihnen überein bekommen?

Da halte ich es mit Willy Brandt: „Demokratie haben wir erst, wenn in jeder Familie abgestimmt wird, wer die Mutter ist.“

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Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)

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