zwischen den rillen
: Das Leben ist ein ruhiger Fluss

Bassekou Kouyaté & Ngoni ba: „Miri“ (Outhere Records/Indigo). Live: 7. 2., Schloss, Neustadt am Rübenberge, 13. 2., Reithalle, Offenburg, 21. 3., Tollhaus, Karlsruhe

Der Niger, Afrikas drittlängster Fluss, ist ein mächtiger Strom mit einem ungewöhnlichen Verlauf in Form eines Halbkreises. Durch den Handel stehen die vielen Ethnien der fünf Länder Westafrikas, durch die der Niger fließt, seit jeher in Kontakt miteinander – in Mali etwa die Tuareg im Norden mit den Bambara im Süden. Dadurch ist der Niger auch Ort des kulturellen Austauschs, der Verständigung.

In dem Bogen, der von seiner Quelle in den Bergen Guineas durch Mali nach Nordosten führt, liegt flussabwärts von der Hauptstadt Bamako das Dorf Garana. Es ist der Heimatort des Ngoni-Meisters Bassekou Kouyaté. Sein neues Album „Miri“ (deutscher Titel „Kontemplation“) ist eine Reise zurück nach Garana – im gleichnamigen Song stellt sich Kouyaté vor, er würde wie früher am Ufer des Niger sitzen, um dort über sich und die ungewisse Zukunft Malis nachzudenken.

Verglichen mit Kouyatés expressiv-psychedelischen Live-Auftritten und dem kraftvollen Vorgänger „Ba Power“ (2015) ist „Miri“ ein ruhiges, geradezu introspektives Album, entstanden in Bamako in einem Moment des Innehaltens nach dem Tod seiner Mutter Yakare vergangenes Jahr. „Wenn du deine Mutter verlierst“, sagt Kouyaté, „ist das so, als ob jemand die Tür deines Hauses rausreißt.“ „Miri“ ist ein persönliches Werk, auf dem Kouyaté in Begleitung seines Ngoni-ba-Ensembles zum prägnanten, glasklaren Klang der Ngoni-Lauten ebenso über grundlegende Werte wie Liebe („Kanougnon“), Freundschaft („Deli“) und die Familie („Nyame“) reflektiert wie über aktuelle Probleme, etwa den durch den Klimawandel verstärkten Landnutzungskonflikt zwischen Nomaden und sesshaften Bauern („Tabital Pulaaku“).

Scheinbar von leichter Hand gespielt sind es komplexe rhythmische Strukturen, die zumeist von der lieblichen Stimme seiner Ehefrau Amy Sacko begleitet werden. Dazu kommen zahlreiche Gäste. „Kanto kelena“ wird getragen vom erdigen Gesang Habib Koités, mit dem er bereits früher kooperierte; „Wele ni“ ist indes von der voluminösen Stimme Abdoulaye Diabatés geprägt, zu der Kouyaté mit einem Bottleneck über die Saiten seiner Ngoni gleitet. Und in „Wele Cuba“ gedenkt er, unterstützt von Yasel González Rivera vom Reggaeton-Duo Madera Limpia aus Guantánamo, der langen Liebe der Malier zur kubanischen Musik.

Der Bambara Kouyaté ist Sprössling der wichtigsten Griot-Familie Malis und hat das Spiel der aus einer Kalebasse fabrizierten, meist viersaitigen Ngoni-Laute, – einer Vorgängerin des Banjos – , in die Moderne überführt: Er erweiterte die Saitenzahl der Ngoni, verstärkte sie elektrisch und scheute nicht davor zurück, ihren Sound mit Verzerrer zu bearbeiten. Vor gut zehn Jahren veröffentlichte er sein rootsiges Debüt mit dem Ensemble Ngoni ba („Segu Blue“). Mit „Miri“ schließt sich der Kreis und er kehrt wieder zu seinen Wurzeln zurück. Obwohl Kouyaté mit Ngoni ba längst regelmäßiger Gast auf den Konzertbühnen Europas ist, hat er sein Erbe als Griot-Barde nicht vergessen. Immer noch tritt er, oft in Begleitung seiner Frau, etwa in Bamako bei Hochzeiten und Festlichkeiten auf, um die Gastgeber und ihre Familie zu preisen.

Als sein Vater starb, war Bassekou Kouyaté erst 22 Jahre alt. Es war seine Mutter, die Sängerin Yakare, die seine Familie seither zusammenhielt. In Garana, dem Familiensitz, hatte sie bis zuletzt ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Mitmenschen. Jetzt beschließt Kouyaté sein Album mit einer Hommage an seine Mutter, in der Amy Sacko alle Kinder besingt, die Yakare zur Welt gebracht hat. Das waren stolze dreizehn. Fünf davon haben allerdings nicht überlebt. Ole Schulz