Das kommt
: Woher die Ängste rühren

Sicherheit“ ist eines der meist verwendeten Agitationswörter unserer Tage: Vor allem Konservative nehmen es gern in den Mund – und dass sie besorgt sind, besorgt um unser Land, das sagen sie dann meist gleich mit dazu. Neo-Rechte vereinnahmen es. Selbsternannte Wertebe­wahr­er instrumentalisieren es für ihre Angst-Kampagnen gegen alles Fremde.

Da tut es gut, dass es auch vernunftgeprägte Stimmen gibt. Wer die hören will, hat dazu am 19. Februar Gelegenheit, in der Schloss-Aula der Universität Osnabrück, beim Symposium „Die Sicherheitsgesellschaft – Im Kontext realer und gefühlter Risiken“, einer Kooperation der Polizeidirektion Osnabrück und des Instituts für Islamische Theologie.

Es ist die sechste Ausgabe einer hochkarätig besetzten, interdisziplinären Fachtagung, die es bundesweit so kein zweites Mal gibt und die „garantiert nichts Weichgespültes“ wird, so Sabina Ide, Dialogbeauftragte der Polizeidirektion und langjährige Mitorganisatorin. „Da ist richtig Pfeffer drin, Kontroverse. Wir schauen durch viele verschiedene Brillen.“

Gut, Bülent Uçar, Direktor des Instituts für Islamische Theologie, hält eine der Eröffnungsreden. Aber wer daraus schließt, im Kern gehe es um Gefahren des Islamismus, geht fehl. Sozial- und Medienwissenschaftliches fließt ein, Vorurteilsforschung. „Wollen und brauchen wir wirklich die totale Sicherheitsgesellschaft?“, skizziert Ide eine der Fragestellungen. „Woher stammen die massiven Ängste, von denen wir so oft hören, und existieren sie überhaupt?“

Das Teilnehmerfeld erstreckt sich vom LKA-Leiter bis zum Politikwissenschaftler, vom Europol-Datenschützer bis zum Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes. Und wie offen, wie streitbar das Ganze angelegt ist, zeigt allein schon der Vortrag „Subjektive Sicherheit und Kriminalitätsfurcht in Zeiten der Verunsicherung“ des Kriminologen Tobias Singelnstein. Singelnstein ist ein eher polizeikritischer Kopf.

Auch für den Normalbürger ist Platz, und das nicht nur in den Zuhörerreihen. Gleich nach der ersten Pause ist der Impulsfilm „Stimmen der Gesellschaft – Wie sicher fühlst Du dich?“ dran, eine Passantenbefragung von Studierenden der Islamischen Theologie. Ide: „Er ist nur fünf Minuten lang, komprimiert aus vielen Statements, aber er konfrontiert uns mit einer Meinungs-Bandbreite, die Augen öffnet.“

Ein Tag der Seriosität – als Korrektiv eines im Alltag verbreiteten Klischeedenkens. Es geht auch um Chemnitz, G20 und den Jugendschutz. Eine der Erkenntnisse: Wer Risikominderung durch eine Beschneidung der Bürgerrechte erkaufen will, verrechnet sich.

Harff-Peter Schönherr