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Jede Menge Drinks und ein neuer Star

Die gestiegene Nachfrage nach veganen Bioprodukten ist für deren Hersteller sowohl Chance als auch Herausforderung. Die meist kleinen und mittelständischen Betriebe müssen ihre Kapazitäten erweitern, und die Beschaffung der Rohstoffe ist nicht immer einfach

Die asiatische Jackfruit bringt bis zu 55 Kilo auf die Waage. Getrocknet verkauft, erinnert ihre faserige Konsistenz an Fleisch. Die Frucht enthält allerdings kaum Eiweiß Foto: Hendrik Schenk/foodcollection/mauritius images

Von Lisa Shoemaker

Lebten 2008 etwa 80.000 Veganer in Deutschland, so sind es laut Selbstaussage jetzt rund eine Million Menschen, die sich ausschließlich auf pflanzlicher Basis ernähren, und täglich kommen geschätzte 200 hinzu. Das Marktforschungsinstitut Euromonitor international berechnet bei Fleischalternativen allein für Deutschland eine jährliche Wachstumsrate von 12 Prozent bis 2020. Ähnliches gilt global für vegane Milch (12,4 Prozent) und Molkerei-Alternativen (11,4 Prozent). Das bestätigt auch Denis Schulz von der Berliner Bio-Company: „Überdurchschnittlich gut laufen auch nach wie vor Getreidedrinks, also solche aus Hafer, Dinkel, Reis, Soja oder auch Nüssen.“

Die gestiegene Nachfrage nach veganen Bioprodukten ist für deren Hersteller sowohl Chance als auch Herausforderung. Die meist kleinen und mittelständischen Betriebe müssen ihre Kapazitäten erweitern und auch die Beschaffung biozertifizierter Rohstoffe ist nicht immer einfach. Zusätzlich gestaltet sich die Produktentwicklung aufwendig. Können konventionelle Hersteller auf über 300 zugelassene Zusatzstoffe zurückgreifen, um den Geschmack und die Konsistenz ihres Angebots aufzupeppen, stehen Herstellern von Biolebensmitteln nur rund 50 Zusätze zur Verfügung. Doch das Sortiment wächst und wird moderner. So hat sich der Freiburger Tofu-Produzent Taifun von Grünkernbratlingen verabschiedet. Grünkern – gedarrter, unreifer Dinkel – war in der Bio-Frühzeit angesagt. Stattdessen gibt es Tofu-Crisper, die sich durch eine zeitgemäß knusprige Konsistenz auszeichnen.

Schon jetzt werden die den Convenience-Produkten vorbehaltenen Kühlregale im Naturkosthandel überwiegend mit Veganem bestückt: „Nicht vegane Fertigprodukte sind kein wirklicher Trend. Bei veganen Fertigprodukten sehen wir eine deutlich bessere Entwicklung. Dies hängt aber auch damit zusammen, dass ein deutlich erhöhtes Angebot in unseren Märkten auch auf mehr Abnehmer trifft“, sagt Denis Schulz.

Manuela Camatta, im Einkauf des Berliner LPG-Biomarktes tätig und selbst seit vielen Jahren Veganerin, betont jedoch, dass die Kunden vor allem Basisprodukte verlangen, die nicht von vornherein gewürzt und dadurch in ihrer Verwendung eingeschränkt sind. Dabei ziehen Kunden den großen 500-Gramm-Becher einer Joghurtalternative dem kleineren 150-Gramm-Becher vor. Auch Lina Cuypers von Taifun-Tofu mit einem Jahresumsatz von 36,5 Millionen Euro teilt mit, dass Räuchertofu und Naturtofu am besten laufen.

Im Sortiment des Naturkosthandels gibt es Eiscreme und Backmischungen, zunehmend gut laufen verschiedene Aufschnitte wie vegane Salami oder Merguez, zahllose Aufstriche, Fertigsuppen wie Linsen-Dal, aber auch Heimisches wie Bratwürste „Lederhosen-Style“ oder gar „Grüner Bohneneintopf Brandenburg“ finden Abnehmer. Da aber vegane Äquivalentprodukte Begriffe wie Milch und Wurst nicht im Namen führen dürfen, werden vegane Produzenten erfinderisch: Es gibt einen Buddha-Drink (Happy Cheeze) mit einer leicht säuerlichen Note, ein Fementiertes Tofuprodukt nennt sich Feto (Taifun), oder man ändert nur die Schreibweise und hat einen Vleischsalat (Viana).

Während die konventionellen Hersteller bei veganer Kost noch vorwiegend Soja als Grundstoff verwenden, wird der Biobereich immer vielfältiger, berichtet Camatta. Beim Fleischersatz gesellen sich neben den traditionellen Soja- (Tofu, Tempeh) und Seitan­produkten (aus Weizengluten) Lupinen in Form von Steak, Geschnetzeltem oder Aufstrich dazu. Aus Italien kommen Käsealternativen auf Vollkornreisbasis (MozzaRisella, BlueRisella). Das erst 2012 gegründete Cuxhavener Unternehmen Happy Cheeze setzt auf Cashews und produziert unter anderem Joghurt- und Camembert-Alternativen. Die junge Firma stellt monatlich rund 100.000 Stück davon her.

Der neue Star der Szene ist die Jackfruit, eine südostasiatische Baumfrucht, die bis zu 55 Kilo auf die Waage bringt. Das unreife Fruchtfleisch wird in Dosen oder getrocknet verkauft. Durch die faserige Konsistenz erinnert es an Fleisch, enthält allerdings kaum Eiweiß. Laut Schulz hat sich der Umsatz seit der Einführung vor einem Jahr mehr als verdoppelt.

Inzwischen führen auch traditionelle Molkereien vegane Produkte. Daniel Knill von der Schweizer Biomolkerei Biedermann, die schon Vorreiter beim laktosefreien Joghurt war, erzählt: „Begonnen hat alles mit einer Anfrage an uns. Es folgte eine intensive Zeit in der Entwicklung, um einen qualitativ hochstehenden veganen Jogurt zu entwickeln. An der Biofach kamen wir mit interessierten Kunden in Kontakt. Als wir uns mit dem veganen Trend intensiver auseinandersetzten und auch feststellten, dass in den USA bereits bis zu 20 Prozent des Molkereikühlers vegan ist, haben wir uns für ein veganes Produkt entschieden.“ Biedermann liefert seit Kurzem eine Joghurtalternative aus Kokos.

Und es gibt ein neues Label: 2017 wurde die biozyklisch-vegane Landwirtschaft von der International Federation of Organic Agriculture Movements (IFOAM) als Standard anerkannt. Noch sind kaum Angebote im Handel erhältlich. Man kann sich etwa bei möhreohnemist.de informieren.

Vielleicht gibt es demnächst ein Comeback für Grünkern, nämlich dann, wenn klar wird, dass Frikeh, eine Zutat in beliebten morgenländischen Kochbüchern, nichts anderes ist als gedarrter grüner Weizen.