Studie zu Hassverbrechen: Im Osten deutlich gefährlicher

Die Wahrscheinlichkeit, das Asylsuchende in Ostdeutschland Opfer eines Hassverbrechens werden, ist viel höher als im Westen, zeigt eine Studie.

Die Mauern der Festung Königstein mit der Georgenburg sind mit Schnee bedeckt

Idyllisch, aber gefährlich für Asylsuchende: die Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Foto: dpa

BERLIN taz/dpa | Das Risiko, Opfer eines Hassverbrechens zu werden, ist für Asylsuchende in Ostdeutschland mehrmals so hoch wie in westdeutschen Bundesländern. Das haben Forscher vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgefunden. Bei einem Ausländeranteil von drei Prozent und einer Ansiedlung von 1.000 Asylsuchenden pro 100.000 Einwohnern kam es laut der Studie in den Jahren 2013 bis 2015 in einem ostdeutschen Kreis durchschnittlich zu zwei bis drei Übergriffen im Jahr. Für einen vergleichbar großen Kreis in Westdeutschland wurden statistisch 0,4 bis 0,6 Übergriffe ermittelt.

Unter Hasskriminalität werden in der am Sonntag bekannt gewordenen Studie politisch motivierte Taten wie Volksverhetzung, Hakenkreuzschmierereien, körperliche Angriffe und Brandanschläge verstanden. Laut den Autoren ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, nicht dort besonders hoch, wo eine besonders hohe Zahl von Zuwanderern angesiedelt wird. Ein wichtiger Einflussfaktor sei vielmehr, wie viele Erfahrungen die Einheimischen in der Vergangenheit mit Zuwanderern gemacht hätten. Die Zahl der Angriffe sei „in Regionen mit einem zuvor geringen Ausländeranteil höher als in Regionen mit einem bereits hohen Ausländeranteil“, schreiben die Forscher Horst Entorf und Martin Lange.

Die wirtschaftlichen Bedingungen vor Ort spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. „Hassverbrechen gegen Ausländer haben in erster Linie keine wirtschaftlichen Motive“, sagte Lange. Politiker, die fremdenfeindliche Tendenzen mit lokaler Wirtschaftsförderung, mehr Lohn oder Wohnungsbau-Offensiven bekämpfen wollten, können demnach nicht mit Erfolg rechnen. Wichtiger sei es, in Regionen mit ­begrenzter Migrationserfahrung das Bewusstsein und das Mitgefühl der Einheimischen zu stärken, so Lange.

Für ihre Untersuchung hatten die Mannheimer Forscher 1.155 Vorfälle aus den Jahren 2013 bis 2015 untersucht. Damals war die Zahl der Angriffe pro 100.000 Einwohner mit 9,76 in der Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am höchsten, gefolgt vom brandenburgischen Landkreis Uckermark (8,24) und vom Saalekreis in Sachsen-Anhalt (ebenfalls 8,24). Laut Studie gab es bundesweit 118 Kreise, in denen kein einziger Übergriff auf Asylsuchende gemeldet wurde. Von diesen 118 Kreisen liegen nur vier in den ostdeutschen Bundesländern.

In ostdeutschen Regionen gebe es „viel Wut und Enttäuschung“, sagte Frank Tempel, Vorstandsmitglied der Linkspartei, der taz. Das Armutsrisiko sei höher, junge Leute zögen wegen fehlender Perspektiven weg, Menschen müssten weit zur Arbeit pendeln. „Parteien wie die AfD nutzen die Unzufriedenheit seit Jahren, um gezielt mit Fake News Fremdenfeindlichkeit zu schüren.“ Nur gute Sozialpolitik allein helfe nicht viel, sagte Tempel. „Es braucht Information, Aufklärung und Begegnungen.“

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