Parteipapier zu grüner Sicherheitspolitik: Ein bisschen mehr Respekt

Lange sahen die Grünen die Polizei kritisch. Nun plädieren sie für eine eigene Sicherheitspolitik und mehr Anerkennung für PolizistInnen.

Nahaufnahme von Polizeistiefeln, dahinter einige PolizistInnen in Sicherheitsmontur

Für die oft „konfliktbeladene“ Arbeit der Polizei brauche es mehr Unterstützung, heißt es in dem Papier Foto: dpa

BERLIN taz | Es gab Zeiten, da waren Polizisten für die Grünen „die Bullen“, die sie von Castor-Gleisen wegzerrten, da hatte die Partei für das Thema innere Sicherheit höchstens bittere Kritik übrig. Lang ist’s her. In einem aktuellen Impulspapier, das der taz vorliegt, schlägt die Partei nun ganz andere Töne an. Die Grünen ließen sich „nicht mehr an den innenpolitischen ‚Katzentisch‘ setzen“, heißt es dort. „Wir wollen selbst mitgestalten.“

Das Papier ist ein Beitrag zum neuen Grundsatzprogramm, das die Grünen derzeit erarbeiten. Verfasst haben es die bayrische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und Irene Mihalic, Innenexpertin der Partei im Bundestag und selbst Polizistin. Und beide machen eine Ansage: Die Grünen wollten künftig auch InnenministerInnen stellen.

Das wäre ein Novum. „Wir setzen darauf, dass wir bei Abfassung des übernächsten Grünen-Grundsatzprogramms bereits auf die Bilanz einiger Grüner Innenminister*innen in Bund und Ländern Bezug nehmen können“, heißt es im Papier. Die Partei wolle bei der inneren Sicherheit nicht mehr nur „das Schlimmste verhindern“, sondern diese selbst prägen.

Dabei fordern die Grünen einen „grundlegenden Reformprozess der Sicherheitsarchitektur“, einen „Paradigmenwechsel“. Bisher reagiere die Politik „rein situativ“, fordere nach Anschlägen oder schweren Gewalttaten stets mehr Härte und neue Gesetze. Es brauche aber eine langfristige, wissenschaftlich basierte Sicherheitspolitik, so das Papier. Sonst sei die Folge wie bisher eine „wildgewachsene Behördenstruktur“ bei Polizei und Geheimdiensten und eine „uferlose Ausweitung der Befugnisse“.

Ein vertrauensvoller Dialog

Der Einsatz für Bürgerrechte – das passt ins traditionelle Grünen-Profil. Auch die Forderung, die Spitzen der Sicherheits­apparate „endlich deutlich weiblicher“ zu besetzen. Tatsächlich gibt es derzeit keine einzige Innenministerin, fast keine Polizei- oder Geheimdienstpräsidentinnen. Aber das neue Impulspapier geht weiter.

Denn es folgt ein Eingeständnis, dass die Partei lange ein „misstrauisch-kritisches Verhältnis“ zur Polizei pflegte. Nun wolle man einen „konstruktiv-kritischen, aber vertrauensvollen Dialog mit der Polizei weiterentwickeln“. PolizistInnen müssten für „ihre oft schwierige, konfliktbeladene Arbeit Unterstützung, Anerkennung und ­Respekt erfahren“. Es brauche eine „solide Vertrauensbasis“.

Für die Polizisten setzen die Grünen auf ein neues Leitbild: das einer „Bürger*innenpolizei“. Die Beamten müssten ansprechbarer sein, etwa mit Kontaktbereichsbeamten. Dazu brauche es stets erreichbare, „virtuelle Polizeiwachen“.

Und Entlastungen für die Beamten: Schwarzfahren, illegale Einreise und Cannabis-Konsum müssten entkriminalisiert werden. Auch sei die Polizei „nicht der Ausputzer für alle gesellschaftlichen Probleme“. Um „umfassend“ Sicherheit zu schaffen, brauche es auch eine Stärkung von Schulen, Sozialämtern oder Arbeitsagenturen.

Wichtig ist den Grünen auch: Es brauche eine „Kraftanstrengung“, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Keine Frau, egal welchen kulturellen Hintergrunds, dürfe zu Dingen genötigt werden, die sie nicht tun möchte. „Das hat jede*r zu akzeptieren, der in unserer Gesellschaft leben möchte.“ Das richtet sich auch an Migranten, die zuletzt mit entsprechenden Delikten auffielen. Lange hielt sich der Vorwurf, die Grünen würden sich hier nicht deutlich positionieren. Nun erfolgt die Klarstellung.

An der Zeit, „selbst Verantwortung zu übernehmen“

Dazu wollen die Grünen den Behördenwirrwarr entflechten, in dem jeder Verantwortung von sich schiebe – „ein großes Sicherheitsrisiko“. 17 Ämter für Verfassungsschutz, der BND, der MAD: „Da kann einiges zu­sammengeführt werden.“ Die Terrorismuszentren GTAZ (für Islamismus) und GETZ (für den Rest-Extremismus) gehörten zusammengelegt. Für die Geheimdienste brauche es einen „kompletten Neustart“. Der Verfassungsschutz müsse in ein wissenschaftliches Institut überführt werden. Nur „deutlich gestrafft“ dürfe ein Rest-Geheimdienst noch mit Spitzeln „konkreten Gefahren“ nachgehen.

Am Ende müsse gesetzlich geklärt werden, wer wann „den Hut aufhat“. Und auch die Länderpolizeien bräuchten über Verwaltungsvereinbarungen einheitliche Standards. Anderen Fragen weicht das Papier aus. In welcher Form ist das Mitlesen von Messengerdiensten okay? Wie damit umgehen, dass Ermittler IT-Sicherheitslücken nutzen? Hier haben die Grünen noch keine Antworten. Nur den Befund: All dies sei bisher „noch nicht ansatzweise zufriedenstellend“ geklärt.

Die neue Freundlichkeit zur Polizei, eine weitere Wegmarke für Schwarz-Grün? Gerade erst hatten sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer für das Bündnis ausgesprochen.

Mihalic widerspricht: „Es geht darum, eine eigene, grüne Sicherheitspolitik zu formulieren.“ Bisher sei die Partei dort „immer das Korrektiv“ gewesen. „Nun ist es an der Zeit, dass wir hier selbst Verantwortung übernehmen.“

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