Ulrich Schulte über die innenpolitischen Vorschläge der Grünen
: Weg vom Katzentisch

Die Grünen geben sich seit Jahren Mühe, in der Innenpolitik erwachsen zu argumentieren. Die Zeiten, in denen Mitglieder der Ökopartei gegen den „Bullenstaat“ polemisierten, sind lange vorbei. Die Innenpolitikerinnen Irene Mihalic und Katharina Schulze präsentieren jetzt Vorschläge für das neue Grundsatzprogramm, die den freiheitlichen Rechtsstaat loben und schützen – und sie gehen in die Offensive: Die Grünen ließen sich „nicht mehr an den innenpolitischen Katzentisch setzen“, schreiben sie. Gut so.

Natürlich könnte man die Ideen als Baustein für die Vorbereitung einer schwarz-grünen Koalition interpretieren. Aber erstens zweifelt doch seit den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen kaum noch jemand daran, dass Union und Grüne liebend gerne miteinander regieren würden. Und zweitens wäre es zu schlicht, mehr noch: unredlich, den Grünen hier rein taktische Motive zu unterstellen. Die Partei nimmt die ganze Gesellschaft in den Blick, und sie darf dabei das Sicherheitsbedürfnis vieler Menschen nicht ignorieren. Mihalic und Schulze legen dazu gute Ideen vor. Es wäre sinnvoll, das föderale Zuständigkeitswirrwarr der Sicherheitsbehörden zu entflechten, bei der Terrorbekämpfung stärker auf Prävention zu setzen oder die Ansprechbarkeit der Polizei mit virtuellen Polizeiwachen zu verbessern.

In ihrem Bestreben, in der Innenpolitik satisfaktionsfähig zu wirken, müssen die Grünen allerdings aufpassen, nicht ins Extreme zu kippen. Einen sprechenden Moment gab es, als die damalige Grünen-Chefin Simone Peter 2017 den Polizeieinsatz in der Kölner Silvesternacht kritisierte. Peter hatte damals mit ihrem Vorwurf, die Polizei habe racial profiling betrieben, also Menschen nach ihrem Aussehen sortiert, völlig recht. Dennoch fielen andere Spitzengrüne über sie her, kapitulierten also vor der Bild-Zeitung und der Wut an den Stammtischen.

Die Linie zwischen Rechtsstaatstreue und Opportunismus ist schmal. Dass die Grünen sie nicht überschreiten, ist noch keine ausgemachte Sache.

inland