Kirchliches Arbeitsrecht: Von wegen interkulturell

Bremer Erzieher*innen sollen interkulturelle Kompetenzen vermitteln. Beim größten freien Kita-Träger, der evangelischen Kirche, arbeiten nur Christ*innen.

Eine Frau mit Kopftuch hilft einem Mädchen beim Klettern

In den Kindertagesstätten der Bremischen Evangelischen Kirche sollen nur Christ*innen arbeiten Foto: dpa

BREMEN taz | Erzieher*innen sollen interkulturelle Kompetenzen vermitteln, findet der Bremer Senat. Ihnen komme in diesem Zusammenhang sogar „eine entscheidende Rolle“ zu, schreibt er in einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Darin heißt es: Die Mitarbeiter*innen in den Kindertagesstätten vermittelten „Kindern schon früh unterschiedliche Sichtweisen und Wertvorstellungen von den jeweiligen Kulturen und Lebensweisen“ und trügen „maßgeblich dazu bei, diese zu respektieren und als eine Bereicherung wertzuschätzen sowie diese als selbstverständlich und alltäglich zu akzeptieren“.

Beim größten freien Träger in Bremen, dem Landesverband evangelischer Kindertagesstätten in Bremen, können die wenigsten Erzieher*innen den Kindern allerdings als lebendes Vorbild für Interkulturalität dienen. Denn die Auswahl ist auf Christ*innen beschränkt.

Wie berichtet, stellte der Landesverband früher ausschließlich pädagogische Fachkräfte ein, die Mitglied einer der beiden christlichen Kirchen sind. Seit diesem Jahr ist die Formulierung in den Stellenausschreibungen allerdings etwas weicher. Der Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Jetzt heißt es: „Wir erwarten, dass Sie sich mit unserem kirchlichen Auftrag identifizieren und für die glaubwürdige Erfüllung dieses kirchlichen Auftrags eintreten.“

Der Leiter des Landesverbandes, Carsten Schlepper, schließt nicht aus, dass im Einzelfall auch mal eine Muslima oder ein Konfessionsloser eingestellt werden könnte. „Wenn es das Konzept einer Kita hergibt, weil die sich vielleicht in einem Stadtteil befindet, der geprägt ist durch andere Kulturen und viele Kinder aus muslimischen Familien den Kindergarten besuchen.“ Auch werde das Thema Islam schon lange im Landesverband diskutiert, sagt er. Grundsätzlich aber halte der Landesverband als Teil der Bremischen Evangelischen Kirche daran fest, dass seine Mitarbeiter*innen Kirchenmitglieder sein müssen, sagt Schlepper.

Das habe auch damit zu tun, die Sonderstellung des kirchlichen Arbeitsrechts nicht gefährden zu wollen. „Wenn wir von dem Grundsatz regelmäßig abweichen würden, würden wir das arbeitsrechtliche Tor sperrangelweit öffnen.“ Die Kirchen dürfen nicht nur Mitarbeiter*innen aufgrund ihres Glaubens einstellen beziehungsweise ihnen nach einer Verletzung religiöser Pflichten kündigen. Sie können außerdem die Mitarbeiter*innenrechte beschneiden. Es gibt keine Betriebs- oder Personalräte oder ein Streikrecht.

Mehr Geld für Qualifikation

Schlepper räumt ein, dass es angesichts des Fachkräftemangels leichter wäre, unabhängig vom Glauben einzustellen. 30 Stellen seien derzeit unbesetzt, in jeder zweiten Kita fehle damit durchschnittlich eine Erzieherin oder ein Erzieher, hatte er vergangene Woche dem Evangelischen Pressedienst gesagt und mit einer Forderung verknüpft: Der Senat solle mehr Geld für die Qualifikation von Quereinsteiger*innen bereitstellen.

Landesverband ev. Kitas

„Wir erwarten, dass Sie sich mit unserem kirchlichen Auftrag identifizieren und für die Erfüllung dieses kirchlichen Auftrags eintreten“

An interkulturellen Kompetenzen fehle es den Mitarbeiter*innen seines Landesverbands allerdings nicht, findet Schlepper. Zum einen gebe es pädagogische Fachkräfte mit einem Migrationshintergrund, zum anderen fördere gerade sein Träger die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und eigenen Vorurteilen – eine der Voraussetzungen für eine interkulturelle Kompetenz. „Ich sage mal, wir bringen jede und jeden dazu, sich damit zu beschäftigen.“ Damit meint er die obligatorische religionspädagogische Zusatzausbildung, die tatsächlich einen hohen Selbsterfahrungsanteil beinhaltet.

Auch Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) hat keine Bedenken. „Wir sehen kein Hindernis für die interkulturelle Bildung bei konfessionellen Trägern“, schreibt ihre Sprecherin. „Letztlich kommt es auf die Professionalität der Fachkräfte an. Von daher ist es für uns nicht relevant, welche Religionszugehörigkeit jemand hat. Wichtig ist, dass er/sie sich seiner/ihrer Vorurteile bewusst ist, um die eigene Subjektivität kontrollieren zu können.“

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