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: Rechtsmotivierte Gewalt in Sachsen steigt weiter an

Opferberatungsstellen zählten im vergangenen Jahr 317 Angriffe, darunter ein Todesfall – das sind 38 Prozent mehr als 2017. Eine Ursache: die Ereignisse in Chemnitz im Sommer

Das Neue

Die Anzahl der rassistischen und rechtsmotivierten Angriffe in Sachsen ist im vergangenen Jahr erneut angestiegen. Die Opferberatungsstellen zählten 317 Angriffe mit insgesamt 481 Betroffenen. Das sind 38 Prozent mehr als im Vorjahr, wie die Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen, kurz RAA, mitteilte. 2015 (477) und 2016 (437) war die Anzahl noch höher.

„Ein Mensch verlor im Jahr 2018 sein Leben“, sagte Andrea Hübler, die zuständige Fachreferentin bei der RAA. „Mehrere Punkte sprechen dafür, dass seine sexuelle Orientierung das Motiv gewesen ist.“ Er sei damit das 17. Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen seit 1990.

Außerdem zählten die Opferberatungsstellen 223 Körperverletzungen, 79 Nötigungen und Bedrohungen sowie fünf Brandstiftungen, darunter auf ein Restaurant in Chemnitz.

Der Kontext

„Dieser Anstieg ist unter anderem auf die Ereignisse im Sommer in Chemnitz zurückzuführen“, sagte Hübler. Nachdem dort ein Mann mutmaßlich von Geflüchteten getötet worden war, hatten AfD und Pro Chemnitz gemeinsam mit Pegida und Neonazis demonstriert. Die Hetze gegen Geflüchtete und MigrantInnen spitzte sich zu, die Stimmung in der Stadt eskalierte: Die Anzahl der Übergriffe in Chemnitz vervierfachte sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 79, der Großteil der Taten wurde während oder im Nachgang der Ereignisse im Sommer begangen. Weitere regionale Schwerpunkte waren Dresden und Leipzig, wo jeweils 60 Angriffe verübt wurden. Insgesamt war die Mehrheit der Fälle, konkret 208 Taten, laut RAA rassistisch motiviert.

Deren Zahlen weichen von denen der Polizei ab. Die Gründe: Laut RAA wurde bei nur drei Vierteln der Fälle Anzeige erstattet. Zudem bewertet die Polizei manche davon anders als die Opferberatungsstellen. 241 der Fälle, so die RAA, seien polizeibekannt, 154 von diesen wurden offiziell als politisch motivierte Kriminalität von rechts eingestuft. Vor wenigen Tagen erst war bekannt geworden, dass auch antisemitisch motivierte Straftaten in Sachsen deutlich zugenommen haben.

Die Reaktionen

„So bitter es auch ist: In Sachsen gehören rechte und rassistische Gewalt zur Lebensrealität. Es gibt keinen Grund, das zu beschönigen“, sagte die sächsische Staatsministerin für Integration, Petra Köpping (SPD). „Die Kräfte und Strukturen von rechts bedrohen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“

Die Konsequenz

Köpping rief die DemokratInnen in Sachsen dazu auf, sich für ein solidarisches und friedliches Zusammenleben einzusetzen. Das ist nicht neu, aber dringend notwendig – nicht nur in Sachsen. Auch andere Opferberatungsstellen haben in den vergangenen Tagen Zahlen präsentiert. Demnach haben die Angriffe in Berlin (309 Fälle) im Vergleich zu 2017 zugenommen; in Brandenburg ist ihre Anzahl etwa gleich geblieben (174); in Mecklenburg-Vorpommern ist sie leicht rückläufig (96).

Sabine am Orde