Nobody’s Girl

Maggie Rogers wurde von einem Tag auf den anderen berühmt, weil Pharrell Williams von ihrer Musik begeistert war. In Berlin zeigte Rogers, dass sie Erwartungen erfüllen kann

Maggie Rogers wirbelt im Zebralook über die Bühne Foto: Gina Wetzler/Redferns/getty images

Von Saskia Hödl

Normalerweise läuft das ja so: Musi­ker_in spielt in schäbigen Clubs, bis jemand aufmerksam wird, kriegt einen mittelmäßigen Plattenvertrag, tingelt durch mittelmäßige Clubs und hofft auf Größeres. Anders bei Maggie Rogers. Sie wurde über Nacht berühmt, bevor jemand wusste, ob die junge Frau aus Easton, Maryland wirklich so viel auf dem Kasten hat, wie angenommen wurde.

Aber von vorne: Es ist Sommer 2016, Maggie Rogers sitzt im Clive Davis Institute of Recorded Music an der New York University, wippt mit dem Kopf und blickt verlegen auf ihre Schuhspitzen. Im Hintergrund läuft ihr Song „Alaska“, eine Hausaufgabe im Rahmen einer „Masterclass“. Neben ihr: kein Geringerer als der zwölffache Grammy-Gewinner Pharrell Williams, dem sofort die Kinnlade runterfällt, ob der blubbernden Beat-Melodie und Rogers’ glockenklarer Stimme, die schlicht zu schweben scheint.

Pharrell soll die Songs der Studierenden beurteilen. Rogers sagte zuvor, ihr Song benötige noch einige Stunden „Mixing und Mastering“. Er sieht das anders: „Ich habe wirklich null Anmerkungen dazu. Das ist einzigartig“, sagt er. Über Rogers’ Gesicht huscht ein Lachen, eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Erleichterung; und wie sie dasitzt in ihrem schwarzen Sweater und der ausgewaschenen Jeans, einer Kette um den Hals, die aussieht wie ein ausgelutschter Suppenknochen an einer Bastschnur, möchte man sie am liebsten in den Arm nehmen und ihr allen Erfolg der Welt wünschen.

Nun ja, so kam es dann auch – die Masterclass wurde aufgezeichnet, das Video ging durch die sozialen Medien, sie wurde das „Pharrell Girl“. Im Februar 2017 erschien ihre erste Majorlabel-EP „Now That The Light Is Fading“. Sie tourte durch die USA und Europa und ließ sich Zeit für ein Album, das im Januar 2019 unter dem Titel „Heard It in a Past Life“ erschien.

Nun ist Maggie Rogers wieder auf Tour in Europa, am Freitag gab sie im Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei ein Konzert. Rogers hat eigenen Angaben zufolge viel Spaß daran, sich auf der Bühne anders zu kleiden als privat. Wie sie in Berlin in ihrem Zweiteiler im Zebralook, mit viel rosa Lidschatten über die Bühne wirbelt und den kompletten Raum einnimmt, wird schnell klar, dass dieses Konzert etwas Besonderes ist. Nicht nur für die 24-Jährige, die eine besondere Beziehung zu Berlin hegt, weil „Alaska“ durch ihre Aufenthalte in Berlin entstanden ist, sondern auch für das Publikum. Denn es gibt nur selten Künst­ler_innen zu sehen, die mit so viel Leidenschaft und einer schier überkochenden Freude Konzerte geben.

Nur wenige Künstler_innen geben mit so viel Leidenschaft und Freude Konzerte

Insgesamt ist ihr Sound, so viel war schon auf dem Album zu erkennen, mehr Pop, als man es nach „Alaska“ hätte vermuten können. Live wirken aber selbst jene Songs, die auf dem Album etwas platt daherkommen, plötzlich dreidimensional – etwa „Give A Little“ oder „Overnight“. Dass Rogers von R’n’ B beeinflusst wurde, hört man, und bevor sie „The Knife“ singt, sagt sie: „Dieses Lied gibt es nur wegen Stevie Wonder.“

Eine Woche zuvor stand Rogers mit Florence Welsh als „Special Guest“ in London auf der Bühne, der Frontfrau von Florence and The Machine. Dass diese beiden musikalisch auf einer Wellenlänge sind, ließe sich auch wegen Rogers’ „Light on“ und „Back in my Body“ vermuten. In Interviews nennt sie viele Frauen ihre Vorbilder: Feist, Björk, Patti Smith und Kim Gordon. Dass sie auch was für Sia und Robyn übrig haben muss, wird in „Retrograde“ und „Burning“ klar – aber damit ist sie ja ebenfalls nicht schlecht beraten. Die Lieder, die am ehesten in die Kerbe hauen, die „Alaska“ hinterlassen hat, sind „On and Off“ und das ganz großartige „Fallingwater“.

Rogers, die auf dem Land aufgewachsen ist, früher Harfe und Banjo gespielt, Tschaikowski und Vivaldi gehört hat, die Gwen Stefani und Bob Dylan gleichermaßen verehrt und eigentlich nach New York gekommen war, um Folk Music zu machen, bis sie in Paris und Berlin nahezu spirituelle Erfahrungen mit elektronischer Musik machte, die dann auf einen der berühmtesten Produzenten der Welt trifft und ein viraler Star wird, ist schon jetzt mehr als „Pharrells Girl“ und könnte uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben – zumindest solange ihr das so viel Spaß macht wie in Berlin.

Weitere Konzerte: 2. März, Zoom, Frankfurt am Main; 4. März, Mojo Club, Hamburg