Gemeinnützigkeit von NGOs: Waffen für das Gemeinwohl

Der Bundesfinanzhof befindet Attac als nicht gemeinnützig. Ein Lobby-Verein der Rüstungsindustrie genießt dagegen Steuervorteile.

Menschen in Anzügen und mit weißen Masken protestieren mit Schildern vor der Deutschen Bank in Frankfurt.

Attac in Aktion: Protest gegen Steuerhinterziehung und Rüstung soll nicht gemeinnützig sein Foto: Malte Ossowski/Sven Simon

BERLIN taz | Die 1957 gegründete Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik mit Sitz in Bonn hat einen klaren Zweck: „Ziel ist es, die Kenntnis über zentrale Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Wehr- und Sicherheitstechnik und der Verteidigungswirtschaft zu fördern“, schreibt sie auf ihrer Homepage.

Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung erkennt die DWT abgekürzte Organisation mit über 1.000 Mitgliedern als gemeinnützig an. Warum, dazu will das Finanzministerium des Bundeslandes nichts sagen, das sei Steuergeheimnis. Eine Antwort wäre interessant gewesen, denn was gemeinnützig ist, das regelt in Deutschland Paragraf 52 der Abgabenordnung. Darin sind 25 mögliche Voraussetzungen für Gemeinnützigkeit aufgelistet. Förderung der Religion etwa, der Wissenschaft, Tierschutz, Sport, explizit auch: „Volksbildung“ und Schach. Sicherheitspolitik und Rüstung sind nicht dabei.

Wegen solcher Fälle und im Lichte eines gestern gefällten Urteils des Bundesfinanzhofs fordert der finanzpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Lothar Binding, jetzt eine Debatte darum, wie Gemeinnützigkeit definiert wird. Das oberste deutsche Finanzgericht hat am Dienstag geurteilt, dass die globalisierungskritische NGO Attac nicht gemeinnützig ist. Nicht wegen der Inhalte ihrer Arbeit, sondern weil sich Attac zu sehr mit konkreten Forderungen in die Tagespolitik einmischt. Das dürfen im Sinne der Gemeinnützigkeit nur etwa Umweltorganisationen, weil Umweltschutz in der Abgabenordnung aufgeführt ist.

Gemeinnützige Organisationen, deren Politikfeld, wie bei Attac, nicht explizit in Paragraph 52 der Abgabenordnung aufgeführt sind, berufen sich in der Regel auf schwammigere, dort aufgeführte Voraussetzungen für Gemeinnützigkeit, wie „Volksbildung“ oder „Förderung von Wissenschaft und Forschung“. Für die müsste einheitlich die Logik des Bundesfinanzhofs gelten, der im Attac-Urteil jetzt schreibt: „Politische Bildungsarbeit setzt […] ein Handeln in geistiger Offenheit voraus.“

Zu was für seltsamen Ergebnissen diese Definition von Gemeinnützigkeit führt, zeigt das Beispiel Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik. Die mischt sich nicht, wie Attac, öffentlich in die Tagespolitik ein. Deshalb kann sie sich über das schwammige Kriterium der „Volksbildung“ als gemeinnützig anerkennen lassen.

Politischer Einfluss bleibt unbemerkt

Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik kann sich über das schwammige Kriterium der „Volksbildung“ als gemeinnützig anerkennen lassen.

Dann ist es auch egal, wie es um die „geistige Offenheit“ bestellt ist: Das Präsidium des Vereins besteht zum großen Teil aus Vertretern der Rüstungsindustrie, der Bundeswehr und einigen Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD, Vizepräsidentin ist die CDU-Abgeordnete Gisela Manderla. Perfekte Kontakte für die Rüstungsindustrie also, um ihre Interessen auch tagespolitisch vorzutragen, nur eben unbemerkt.

Frank Kühnrich, bei der DWT zuständig für Kommunikation, sagt, die Gemeinnützigkeit des Vereins beruhe auf dessen Bildungsarbeit – und die sei neutral. „Wir haben auch Firmen als Mitglieder, deren Vertreter neben Politikern, hohen Militärs und Wissenschaftlern in unserem Präsidium vertreten sind. Einfluss auf unsere Geschäftstätigkeit üben diese Firmen nicht aus“, sagt Kühnrich.

„Ich glaube, man muss bei der Definition von Gemeinnützigkeit in alle Richtungen nochmal neu überlegen“, sagt SPD-Mann Binding der taz. Er versteht das als Gesprächsangebot an die Union, die bisher abblockt. Stattdessen stellt sie die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe in Frage, die FDP die der Tierschutzorganisation Peta. „Ich halte es für einen schweren Fehler, die Gemeinnützigkeit am Maßstab der eigenen politischen Ausrichtung zu messen“, sagt Binding.

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