heute in bremen
: „Viele wissen nicht, worauf sie da sitzen“

Foto: privat

Jan Werquet, ist Historiker und Kunsthistoriker. Er arbeitet als Kurator für Stadtgeschichte am Focke-Museum.

Interview Moritz Warnecke

taz: Herr Werquet, hätte man den Elefanten als ehemaliges Kolonialdenkmal nicht besser abreißen sollen?

Jan Werquet: Ich würde es für keinen guten Einfall halten. Relikte aus der Vergangenheit bieten einen wichtigen Anlass zur kritischen Auseinandersetzung.

Welche Rolle spielte Bremen denn in der Kolonialzeit?

Eine herausgehobene. In Bremen gab es viele Unternehmen, die intensiv mit Gütern aus den Kolonien gehandelt und davon profitiert haben, noch bevor das Deutsche Reich seine eigenen besaß. Besonders mit Tabak und Zucker wurde hier gehandelt – Güter, die oft unter ausbeuterischen Bedingungen produziert wurden. Als Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg seine Kolonien verlor, gab es in Bremen ein starkes Interesse daran, sie zurückzugewinnen. In diesem Zusammenhang ist auch der Elefant errichtet worden.

1990 wurde er umgewidmet, 2009 kam das Herero-Denkmal dazu. Warum dauert die Aufarbeitung so lange?

In Deutschland hat man erst in den 1960er Jahren begonnen, sich kritisch mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Damals vorrangig mit der NS-Zeit; meines Erachtens weil sie die unmittelbare Elterngeneration und das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft betraf. In Bremen gab es allerdings bereits in den 1970er Jahren Akteure, die sich für eine Aufarbeitung mit dem Kolonialismus einsetzten.

Funktioniert der Elefant als Anker in der Debatte um Kolonialismus?

Wir haben in Bremen Ansätze einer etablierten Erinnerungskultur. Es finden immer wieder Veranstaltungen um den Elefanten statt. Aber das alleine genügt natürlich nicht.

Workshop: „Der umgedeutete Elefant – Denkmäler und Kolonialismus“, 18 Uhr, Focke Museum, Schwachhauser Heerstraße 240

Was muss getan werden?

Wir müssen schauen, dass wir unser Wissen über die konkrete Verstrickungen der Bremer Kaufleute im Kolonialismus präziser fassen können. Wir müssen fragen, welche Kontinuitäten dieser kolonialen Machtverhältnisse noch heute aktuell sind. Und inwieweit unsere Perspektiven auf die damalige und heutige Situation von diesen geprägt sind.

Im Sommer lassen die Leute auf dem Elefanten die Beine baumeln. Ist das pietätlos?

Das würde ich nicht sagen. Viele wissen nicht worauf sie da sitzen und suchen sich ihren eigenen Zugang dazu. Gerade historische Denkmäler müssen entschlüsselt werden.