heute in hamburg
: „Finanzpolitik geht uns alle an“

Film-Seminar gegen Austerität, Film: „¡No!“ mit anschließender Diskussion, 20 Uhr, Anna-Siemsen-Hörsaal, Von-Melle-Park 8, Eintritt frei

Interview David Günther

taz: Was ist Austerität, Frau Keßler?

Katrin Keßler: In Deutschland wird sie gerne als Schuldenbremse umschrieben. Das hört sich positiver an. Den Begriff benutzen wir in der Organisation „Schluss mit Austerität“ aber bewusst nicht. Es impliziert, dass man etwas stoppen würde, was Unheil bringt, dem ist nicht so.

Und was spricht dagegen?

Im schlimmsten Fall führt es zu Krankheiten und Tod. Beispielsweise, wenn in den Gesundheitssystemen gespart wird. Für uns ist klar, dass den Bürgern etwas verwehrt wird. Wir sind der Staat. Der Staat hat für uns da zu sein. Nicht umgekehrt. Er soll kulturelle Angebote, günstige Wohnungen, Mobilität und vieles mehr bieten. Alles sollte für uns erreichbar sein.

Wem hilft die Austerität?

Dem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Wir haben seit Jahrzehnten eine Umverteilung von unten nach oben. Deutschland ist für seine prekären Beschäftigungsverhältnisse bekannt. Wir sind ein Billiglohnland. Unsere Exportüberschüsse gehen zulasten aller anderen EU-Staaten.

Warum sind Filme geeignet, das Problem darzustellen?

Man kann sich durch die Filme alles besser vorstellen und es wird vieles klarer. Ein Film, der demnächst kommt, heißt „Der marktgerechte Patient“. Er zeigt, wie gefährlich die Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem sind und wie in den letzten Jahren die marktkonforme Gestaltung der Krankenhäuser vorangeschritten ist.

Wie läuft der Filmabend ab?

Einleitend wird immer ein Referat gehalten. Entweder über den Regisseur oder über das Land und die politische Lage und nach dem Film wird mit dem Publikum diskutiert. Uns ist es sehr wichtig, dass wir uns Dinge gegenseitig beibringen.

Foto: privat

Katrin Keßler, 46, Künstlerin und freie Journalistin in Hamburg. Sie ist Mitorganisatorin der Veranstaltungsreihe „Film-Seminar gegen Austerität“.

Wie kam es, dass die Filme im Philoturm der Uni gezeigt werden, an dem gerade gebaut wird?

Der Philosophenturm steht sinnbildlich für die stiefmütterliche Behandlung der Geisteswissenschaften. Er steht schon seit Jahren leer, denn die ganze Belegschaft und alle Geisteswissenschaftler wurden ausgelagert.

Kommen auch Leute jenseits der Uni?

Ja. Viele Anwohner kommen, ältere Herrschaften und Leute, die linke Politik allgemein verfolgen. Finanzpolitik geht uns alle an. Ich selber bin auch extern und kein Student.