Proteste im Sudan: Diktator verhängt Ausnahmezustand

Präsident Bashir räumt angesichts nicht endender Proteste und Demonstrationen gegen seine Herrschaft in den eigenen Reihen auf.

Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir bei einer Rede in Darfur im Jahr 2009

Wegen Völkermordes mit Haftbefehl gesucht: Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir Foto: Reuters

BERLIN taz | Nach über zwei Monaten fast täglicher Proteste greift Sudans autoritärer Präsident Omar Hassan al-Bashir durch. In einer Rede an die Nation am späten Freitag verhängte Hassan al-Bashir den Ausnahmezustand und entließ die Regierung sowie sämtliche Provinzregierungen.

Sudan stecke in der „schwierigsten Lage seiner Geschichte“, sagte der 75-Jährige, der das Land seit 1989 als faktischer Militärdiktator regiert. Bashir sieht sich seit dem 19. Dezember 2018 mit der hartnäckigsten Protestwelle seiner dreißigjährigen Herrschaft konfrontiert. Was als Demonstrationen gegen steigende Lebenshaltungskosten begann, weitete sich zu einem allgemeinen Aufstand aus, der mit den in der gesamten arabischen Welt bekannten Umsturzparolen des „Arabischen Frühlings“ von 2011 einen Regimewechsel fordert.

Getragen von Berufsverbänden, die vor allem die verarmte städtische Mittelschicht vertreten, haben die Proteste sämtliche Städte und Regionen des Landes erreicht, und das Regime begegnet ihnen immer wieder mit massiver Gewalt. Offiziell sind seit Beginn der Demonstrationen 31 Menschen getötet worden. Menschenrechtsgruppen gehen von weit höheren Zahlen aus.

Bashir entließ jetzt nicht nur Premierminister Muataz Musa, der Anfang Februar gesagt hatte, die Forderungen der Demonstranten seien „teilweise berechtigt und müssen respektiert werden“. Er feuerte auch alle Minister sowie seinen Vizepräsidenten Bakri Hassan Saleh, letzter noch aktiver Angehöriger des Militärzirkels, der 1989 per Putsch Bashir an die Macht gebracht hatte. Und alle 18 Provinzgouverneure werden durch Armee- und Geheimdienstoffiziere ersetzt.

Haftbefehl wegen Völkermordes in Darfur

Das rabiate Durchgreifen in den eigenen Reihen erfolgt im Kontext kontroverser Debatten darüber, ob Bashir bei Sudans nächsten Wahlen 2020 erneut antreten soll oder nicht. Lange Zeit war dies laut Verfassung sowie laut Statut der Regierungspartei NCP (National Congress Party) nicht möglich. Doch im vergangenen August veränderte die NCP ihr Statut, und eine Verfassungsänderung ist eingeleitet worden.

Selbst in der NCP-Führung gibt es allerdings massive Kritik daran, da die Person Bashir einer Normalisierung der internationalen Beziehungen Sudans im Wege steht: Er wird seit fast genau zehn Jahren vom Internationalen Strafgerichtshof mit Haftbefehl wegen Völkermordes in Darfur gesucht.

Afrikanische und arabische Länder ignorieren diesen Haftbefehl zwar, aber eine komplette Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen Sudan ist nicht möglich, solange das Land von einem gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher regiert wird. International kursieren Überlegungen, Bashir im Gegenzug für seinen friedlichen Rückzug Straffreiheit anzubieten.

Sudans Oppositionsparteien erklärten, mit dem Ausnahmezustand habe das Regime sein Scheitern eingestanden. Am Samstag und Sonntag gab es erneute Demonstrationen.

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