Niederlage des FC Schalke 04: Die Lust am Leiden

Der FC Schalke 04 verliert historisch hoch bei Manchester City. Zum Glück – denn was wäre der Fußball ohne die wunderschönen Dramen?

Schalke Trainer Domenico Tedesco plustert seine Wangen auf

Der wunderbarste Verlierer des Abends: Schalke-Trainer Domenico Tedesco Foto: dpa

Was für eine wunderschöne Niederlage! Mit 0:7 bei Manchester City hat sich der FC Schalke 04 aus der Champions League verabschiedet. Das Aus hat gewiss keinen überrascht. Schalke 04, der amtierende deutsche Vizemeister, spielt in diesem Jahr einen derart hundsmisera­blen Fußball, dass ein Weiterkommen sowieso nicht möglich gewesen wäre. Und doch hat Schalke von sich reden gemacht. 0:7! Das muss man erst mal schaffen. Schalke kann’s. Alles, wirklich alles, was der Klub anpackt, gerät zum Drama. Es ist ein Drama ohne jedes retardierende Moment.

Die große Schalke-Tragödie dieses Jahres ist ein Stück mit immerwährendem Höhepunkt. Eine Katastrophe ist es sowieso. Man mag gar nicht mehr wegschauen. Das Leiden macht Lust. Nirgends wird so schön gelitten wie auf Schalke. Eine deutsche Mannschaft hat in der Cham­pions League noch nie so hoch verloren – ein Rekord für die Ewigkeit, ein Zeitmaß, das man in Gelsenkirchen nur allzu gut kennt. Denn es ist eine Ewigkeit her, dass Schalke das letzte Mal Meister war. 1958 war’s.

Der vielleicht wunderbarste Verlierer des Abends war Trainer Domenico Tedesco, der doch tatsächlich gesagt hat: „Ich habe keine Sekunde daran gedacht, meinerseits irgendetwas zu verändern.“ Warum sollte er auch? Niemand will, dass der schlechte Lauf der Schalker unterbrochen wird. Ob der Trainer nun entlassen wird oder nicht, ist längst egal. Fliegt er, wird es heißen, dass die Entscheidung viel zu spät gefallen ist. Darf er bleiben, wird das keiner für eine gute Idee halten.

Ruhe im Verein wird es eh nicht geben, egal wie Sportvorstand Jochen Schneider sich verhalten wird. Dessen Name ist längst in aller Munde. Noch vor zwei Wochen kannte den Mann, der jahrelang in der Fußballabteilung des Getränkekonzerns Red Bull im Hintergrund gearbeitet hat, kaum einer. Jetzt ist er eine große Nummer, obwohl er vielleicht noch nicht einmal seinen Bürostuhl auf die ergonomisch passende Arbeitshöhe eingestellt hat.

Die Schönheit des Scheiterns

Ob er wirklich damit gerechnet hat, dass Schalke so extrem ist? Er muss, sonst wäre er völlig fehl am Platz. Die ganze Woche schon wird über einen Trainerwechsel auf Schalke gesprochen, der nie stattgefunden hat. 2013 ist die Verpflichtung von Stefan Effenberg, dem Ex-Nationalspieler mit Neigung zum Büchsenbierpopulismus, als Trainer nur deshalb nicht zustande gekommen, weil dessen Frau Claudia auf Instagram eine Andeutung dazu gemacht haben soll, obwohl Stillschweigen vereinbart war.

Wen interessiert’s? Diese Frage stellt sich bei Schalke nicht. Bei diesem Klub wird alles groß, was eigentlich doch ganz klein sein müsste. Wer das nicht schön findet, der glaubt noch an das Wahre im Fußball. Als am Tag nach der Niederlage von Manchester schon lange keiner mehr darüber nachgedacht hat, ob es nicht besonders demütigend für Schalke gewesen sein muss, dass ausgerechnet Leroy Sané, der von 2011 bis 2016 in Königsblau gekickt hat, mit einem Tor und drei Torvorbereitungen seinem Ex-Klub den Garaus bereitet hat, da wurde der wahre Grund der Niederlage bekannt.

Bei diesem Klub wird alles groß, was eigentlich doch ganz klein sein müsste

Der Fußballerfriseur, der sich HD Cutz nennt und ein paar Wochen zuvor die Spieler von Borussia Dortmund zu einer 0:3-Niederlage bei Tottenham Hotspur frisiert hat, soll am Tag vor dem Spiel auch Schalker Spielern die Haare schön gemacht haben. Es ist eben einfach schön, den Schalkern beim Scheitern zuzusehen. Vier Punkte Vorsprung haben sie noch auf den Relegationsplatz in der Bundesliga, der Abstieg ist in Reichweite. Eine gute Nachricht für alle Freunde der nicht enden wollenden Katastrophe.

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