Der Stadtteil ist richtungsweisend

Schüler in besseren Vierteln gehen länger zur Schule und ergattern eher eine Ausbildung als Abgänger in sozial schwächeren Vierteln. Der Schulsenator rechnet sich das schön

In Mümmelmannsberg wachsen die Bäume nicht in den Himmel – und die Bildungskarrieren auch nicht Foto: Kay Nietfeld/dpa

Von Kaija Kutter

Die Zahlen, die die Linke jetzt durch eine Anfrage zur Berufsbildung zu Tage gebracht hat, sind ernüchternd: Die Lage einer Schule entscheidet über den Bildungserfolg und über die Frage, wer direkt nach der Schule eine Ausbildung bekommt. So ergattern im Bezirk Mitte nur 34 Prozent der Schulabgänger eine Lehrstelle, im besser gestellten Eimsbüttel sind es 45,6 Prozent.

Die sogenannte Einmündungsquote in Ausbildung ist ohnehin niedrig und seit Jahren ein politischer Zankapfel. Zwar erhebt die Stadt seit 2012 Jahr für Jahr eine „Schulabgängerverbleibsstatistik“ und führt penibel auf, wo die Kinder aus den 10. Klassen verbleiben, doch die Zahlen werden von Schulsenator Ties Rabe (SPD) Jahre für Jahr mit weniger Pomp vorgetragen, geht es doch kaum aufwärts.

Schulpflicht besteht weiter

Nur 40,2 Prozent der 4.781 Zehntklässler des vergangenen Schuljahrs hatten im Sommer 2018 eine Lehrstelle. Die Schüler sind aber noch schulpflichtig, bis sie 18 sind. Die Mehrheit, nämlich 2.042, sprich 42,7 Prozent, landete in einer nicht all zu beliebten Maßnahme namens Ausbildungsvorbereitung Dual, kurz AV-Dual, die pro Woche aus zwei Tagen Schule und drei Tagen Praktikum besteht. Die übrigen gingen ins Ausland, in Freiwilligendienste und ähnliches.

Diesen Zahlen steht das politische Versprechen der SPD von 2011 gegenüber, dass alle Schüler in Hamburg entweder Abitur oder eine Ausbildung erreichen sollen und dies notfalls durch staatliche Ausbildungsplätze gesichert wird. Die AV-Dual setzt darauf, dass die Jugendlichen nach dem Praktikum im Unternehmen „kleben bleiben“. Nach einem Jahr ergattern etwa vier von zehn AV-lern eine Ausbildung. Schulsenator Ties Rabe (SPD) summiert beide Werte und sagt, dass somit „über 60 Prozent“ in Ausbildung wären und die Reform ein Erfolg.

Die Linke moniert, dass diese Zahl viel zu schlecht sei, um sich auszuruhen. „Die ineffiziente und teure Berufsbildungspolitik der Schulbehörde ist gescheitert“, sagt Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus. Ihre Haltung ist nicht unwichtig, wurde doch 2011 die Abschaffung des alten, bis dahin gültigen Übergangssystems, das neben AV-Dual eine Vielzahl weiterer Angebote kannte, in denen Schüler auch einen höheren Abschluss erreichen konnten, mit Zustimmung aller Parteien beschlossen. Auf Boeddinghausens Betreiben hin soll es im Frühjahr im Schulausschuss eine Expertenanhörung geben, um die Sache zu prüfen.

Neues Futter für die Debatte bieten nun die stadtteilgenauen Daten der Anfrage. So ergatterten von den Jugendlichen, die in Billstedt die 10. Klasse einer Stadtteilschule verließen, nur 28,6 Prozent eine Ausbildung, in Neustadt gar nur 26,3 Prozent.

Spitzenreiter ist Altrahlstedt

Auch in Jenfeld, Neuallermöhe, Lurup und Dulsberg sind die Werte unterdurchschnittlich. Für alle Schulen in Vierteln mit niedrigem Sozialindex ergibt sich ein Wert von 31,3 Prozent. Dagegen bekommt von den Schulen mit dem besseren Sozialindex vier fast jeder Zweite eine Lehrstelle (48,5 Prozent).

Die Zahlen variieren auch je nach Stadtteilschule zwischen unter zehn bis über 60 Prozent. Die Linke wertet in einem eigenen Papier nur Schulen mit über hundert Schülern aus. Den niedrigsten Wert hat demnach die Stadtteilschule Mümmelmannsberg mit 22 Prozent, den Spitzenwert von 64 Prozent erreicht die Schule Altrahlstedt, die auch in einem Gebiet mit dem eher niedrigen Sozialindex 2 liegt. Was Rabe zu der Bemerkung veranlasst, einige Schule seien hier aufgrund ihrer „besonderen pädagogischen Konzepte“ sehr erfolgreich.

Die Linke hält in ihrem Papier dagegen. Denn wichtig dürften auch die Branchenstruktur und das Verhalten der Betriebe im Einzugsbereich der Schule sein. Bevor der Senator die Losung ausgebe, alle müssten es so machen wie Altrahlstedt, solle man „die Grenzen dieser Strategie bedenken“. Das Problem sei, dass in Hamburg nur noch knapp 17 Prozent der Betriebe ausbilden, und immer mehr Plätze an Abiturienten gehen.

Auch bei der Frage, wer das Abitur bekommt, ist der Stadtteil entscheidend. So liegt die Übergangsquote in die Oberstufe bei Stadtteilschulen mit hohem Sozialindex 4 und 5, wie in Blankenese, Winterhude, Ohlsdorf und Bergstedt, bei gut 75 Prozent. In Stadtteilschulen mit niedrigem Index sind es umgekehrt fast 75 Prozent, die nach Klasse 10 die Schule verlassen. Und die eben kaum Erfolg bei der Ausbildungssuche haben.

Boeddinghaus sieht hier eine strukturelle Benachteiligung und fordert, diese Schüler müssten durch „Face to face“-Maßnahmen unterstützt werden. Der Schulsenator müsse „endlich aktiv werden“.