Reisen, ohne sich die CO2-Bilanz zu versauen

Im Stück „Should I Stay or Should I Stay“, das das Jugendtheater P14 in der Volksbühne zeigt, geht es um einen imaginierten Barcelona-Urlaub

Von René Hamann

Es gibt ihn wirklich: den Barcelona Chair oder Barcelona-Sessel, und er sieht natürlich ganz anders aus als das gewöhnliche Gartenmöbel, das am Donnerstag auf der Bühne stand. Der Barcelona-Sessel ist ein schön breiter Ledersessel in Schwarz mit Beinen aus Leichtmetall, der von Ludwig Mies van der Rohe für die Weltausstellung 1929 in – genau – Barcelona entworfen wurde. Gefertigt wurden die ersten Exemplare übrigens in Neukölln.

Im Stück „Should I Stay or Should I Stay“, das am Donnerstag im dritten Stock der Volksbühne Premiere hatte, geht es aber auch nicht um Designermöbel. Nicht mal um Gartenmöbel geht es. Um Barcelona geht es schon ein wenig, nämlich als Sehnsuchtsort und projiziertes Reiseziel einer Kleingruppe junger Menschen, von deren Hintergrund man übrigens leider nicht viel erfährt.

Ab in den Süden

Man erfährt nur eins: Sie wollten reisen. Irgendwohin. In den Süden. Nach Barcelona. Endlich einmal. Sie hatten es sich verdient. Aber aufgrund der Bedenken einer ökologisch Bewegten unter ihnen – und ihrer eigenmächtigen Tricks – reisen sie nicht. Oder vielmehr, sie reisen dann doch. Nur ohne Flugzeug und so. Sie reisen nämlich immobil.

Immobiles Reisen, das hatte schon der französische Philosoph Gilles Deleuze erkannt, schützt die Umwelt. Außerdem muss man sich nicht anderen Begebenheiten aussetzen. Man bleibt einfach im Sessel und reist imaginär. An jeden erdenklichen Ort der Welt. Das hat die kleine Reisegruppe auch probiert und durchexerziert. Bleiben oder bleiben? Sie hat sich fürs Bleiben entschieden.

Aufgeführt wurde das Stück nach dem Titel eines Punksongs von The Clash vom P14-Jugendtheater der Volksbühne Berlin. Das P14 ist so etwas wie eine Probebühne, eine Probierbühne für den Nachwuchs; immer gut, wenn ein Theater so etwas hat. „Should I Stay or Should I Stay“ nimmt sich ziemlich viel von dem raus, was Theater in jüngster Zeit so ausgemacht hat: Es gibt einen Stream von den Ereignissen hinter den Kulissen – die wiederum sind aber mitten auf der Bühne aufgebaut; es gibt Livemusik mit Pianistin (Núria Frías) und mehr oder weniger gelungenen Gesangsanlagen; es gibt mehr einen diskursiven Durchlauf durchs Thema als wirkliche Handlung. Tatsächlich fällt das Stück, das frech und schnittig beginnt, mit dem eigentlichen Gag – dass besagte Reise nämlich gar nicht stattfindet – in sich zusammen und wirkt in der Folge eher zusammengezimmert als kohärent.

Spaß und Euphorie

Was aber sogar irgendwie egal ist. Denn da wären ja noch die Schauspielenden! Und die sind, anders als man vermuten könnte, keine Jugendlichen, sondern eher junge Erwachsene. Schauspieltalente, die mit mächtig Spaß bei der Sache sind und deren Euphorie ziemlich breit ausstrahlt und über die Schwächen im Setting, in der Inszenierung (Paula Knüpling, Marina Prados), im Text (Marlene Kolatschny) hinwegsehen lässt. Besonders erwähnt seien hier stellvertretend Olivia Purka, die eine enorme Präsenz hat, und Mathilda Switala, die sehr lustig überzeichnen kann und deren rollendes r allein schon die Karte lohnt.

Am Schluss kommt noch einmal etwas Wehmut auf, als Bilder von Barcelona auf die Leinwand projiziert werden. Die Ramblas, die Sagrada Familia, das Gaudí-Haus (das Stück ist in Zusammenarbeit mit dem dortigen Els Malnascuts/Sala Beckett entstanden). Ach. Mal wieder dahinreisen wäre schön. Scheiß doch auf die Ökobilanz.

Noch mal am 25., 27., 28. und 29. 3., jeweils 19 Uhr