Streit um muslimische Abgeordnete: Ilhan Omar erbost Israels Freundinnen

Omar gerät zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen in die Antisemitismuskritik. Die junge Abgeordnete erhält inzwischen auch Morddrohungen.

Die muslimische Abgeordnete Ilhan Omar mit lila Kopftuch

Die muslimische Abgeordnete Ilhan Omar muss sich der Kritik stellen Foto: AP

NEW YORK taz | Ilhan Omar wird in der Resolution gegen Hass und Intoleranz, die das Repräsentantenhaus am Donnerstagabend verabschiedet hat, nicht namentlich erwähnt. Trotzdem wissen alle, dass die Resolution der 37-Jährigen in Somalia geborenen und als Flüchtling in die USA gekommenen neuen Abgeordneten aus Minnesota gilt. Der Streit darüber hat diese Woche zu dem ersten großen Eklat in der neuen Mehrheitsfraktion im Repräsentantenhaus geführt.

Die Resolution wurde mit 407 zu 23 Stimmen verabschiedet. Sämtliche Gegenstimmen kamen aus dem Lager der RepublikanerInnen. Was ursprünglich als eine Verurteilung von Antisemitismus beabsichtigt war, geriet in den innnerparteilichen Auseinandersetzungen der DemokratInnen und unter dem Druck der Abgeordneten, die selbst aus „Minderheiten“ kommen, zu einer Resolution gegen alle Formen von Hass: Die Resolution verurteilt Voreingenommenheiten gegen Afroamerikaner und Native-Americans und sie erwähnt ausdrücklich „Juden, Muslime, Hindus, Sikhs, Einwanderer und andere“. Sprecherin Nancy Pelosi versicherte, die Resolution richte sich nicht gegen Ilhan Omar.

Doch der Streit um Äußerungen Omars bei einer Podiumsdiskussion in einem Buchladen in Washington hatte für heftige Verwerfungen gesorgt. Bei der Veranstaltung hatte Omar die rhetorische Frage gestellt: „Warum ist es in Ordnung, dass Leute einen Treueschwur für ein anderes Land verlangen. Warum kann ich über die Waffenlobby, die Mineralölindustrie und über die Pharmakonzerne sprechen. Aber wenn ich mich mit dem mächtigen Lobbying befasse, das unsere Politik beeinflusst, ist das nicht in Ordnung?“

Das Publikum verstand, dass Omar den Einfluss der Lobby meinte, die Israel im US-Kongress vertritt. Dazu gehört einerseits die proisraelische Lobby Aipac (American Israel Public Affairs Committee). Andererseits gehören dazu auch starke christlich-evangelikale Organisationen in den USA wie Cufi (Christians United for Israel), die politisch ebenfalls hinter Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu stehen.

Erstarken der Kritiker von Israels Besatzungspolitik

Weil diese Lobby in den USA so einseitig ist, sind in den letzten Jahren zahlreiche alternative Organisationen erstarkt. „Jewish Voice for Peace“ ist die am schnellsten wachsende jüdische Organisation in den USA. Und „J-Street“ ist eine alternative Lobby zu Aipac. Statt Netanjahu zu stärken, setzen sie auf einen Friedensprozess zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.

Nach Omars Auftritt in dem Buchladen reagierten republikanische und konservative demokratische Abgeordnete mit dem Ruf nach „Konsequenzen“. Unter anderem wollten sie die Resolution gegen die Abgeordnete und ihren Rauswurf aus dem außenpolitischen Ausschluss. Doch außerhalb des Kongress machten die KritikerInnen der US-Israelpolitik mobil. FriedensaktivistInnen und andere Linke bombardierten die Abgeordneten mit Anrufen und E-Mails.

Im Kongress stellten sich zunächst nur wenige andere progressive Abgeordnete hinter Omar. Darunter die zweite muslimische Frau im Repräsentantenhaus, die aus einer palästinensischen Familie stammende Rashida Tlaib, sowie die demokratische Sozialistin aus New York, Alexandria Ocasio-Cortez. In einem ihrer Tweets erwähnte AOC sexistische und Anti-Latina-Anfechtungen, die gewöhnlich folgenlos bleiben.

Die RepublikanerInnen beobachteten den Streit in den demokratischen Reihen genüsslich. Manche von ihnen, darunter der US-Präsident persönlich, verlangten den Ausschluss der gewählten Abgeordneten aus dem Kongress. Omar bleibt vorläufig gelassen. „Ich will niemandem von euch den Schlaf rauben“, sagte sie bei einer Diskussion, als WählerInnen ihre Angst vor gewalttätigen Angriffen auf die Abgeordnete äußerten.

FBI untersucht Morddrohungen gegen Omar

Das FBI befasst sich mit Morddrohungen gegen sie, und im Parlament von West Virginia hing ein Poster, das ihr Konterfei vor den brennenden Türmen des World Trade Centers zeigt. „Es geht nicht darum, was Ilhan Omar sagt, sondern darum, wer sie ist“, erklärt die Nahost-Expertin Phyllis Bennis.

Die Muslimin, die als Flüchtling in die USA gekommen ist; die radikale Linke, die die Rechte der PalästinenserInnen verteidigt; die Kopftuchträgerin und die selbstbewusste junge Frau, die es gewagt hat, unter anderem Donald Trumps Mann für Venezuela wegen seiner Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen in Mittelamerika zu kritisieren, passt nicht in das Bild. Bennis: „Viele denken, sie gehört nicht in unser Land.“

Die junge Abgeordnete war vor vier Wochen schon einmal infolge eines als antisemitisch interpretierten Tweets ins Visier der Kritiker geraten. Die Aufregung, die sich durch beide Parteien zog, endete mit einer Entschuldigung Omars.

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