berliner szenen
: Vorabend-Soap in der Rettung

Abendliche Routine in der Notfallambulanz des Urbankrankenhauses. Ich liege auf einer Tragbahre, der Kopf brummt, ein Rettungsassistent schiebt mich vor sich her. „Ist da noch Platz?“, fragt er eine Krankenpflegerin, „kriegen wir den da noch zwischen?“ Es wird eng auf dem Flur, Krankenliege reiht sich an Krankenliege. Und hinter uns wird schon der Nächste reingeschoben. Früher Donnerstagabend, viel Traffic.

Viel Traffic ist auch der Grund, warum ich hier bin. Kleiner Verkehrsunfall, Kopf auf Heckscheibe, Platzwunde. Soll genäht werden. Ein Polizist hat mir einen provisorischen Stirnverband umgebunden, der Dieter Hoeneß zur Ehre gereichen würde. Jetzt kommt ein Arzt vorbei, er stellt ein paar Standardfragen. „Medikamentenallergie?“ – „Nein.“ – „Vorerkrankungen?“ – „Nein.“ – „Letzte Tetanusauffrischung?“ – „Weiß ich nicht mehr.“

Ich bekomme ein Bändchen ums Handgelenk und einen Begrüßungsdrink gereicht. „Kleines Schnäpschen“, sagt der Arzt und drückt mir ein Plastik-Pintchen in die Hand. Ein Schmerzmittel.

Dann beginnt das Warten. So langsam akklimatisiere ich mich in der Kurzzeit-WG. Gut so, denn bis ich drankomme, sollen noch viele Stunden vergehen. Ich betrachte das Lazarett: Den auf und ab wippenden Mann neben mir mit dem Stirnpflaster. Den vor sich hindämmernden Mann gegenüber. Ein Elternpaar, das nun mit einem Kind hineinkommt, das puterrote Füße hat. Rettungsassistenten, die Krankenpflegerinnen angraben. Das ist meine Vorabend-Soap.

Zeit vergeht. Mehr Zeit vergeht. Ich döse ein bisschen. Kurz nach elf kommt der Arzt. Er macht kurzen Prozess. Drei Stiche, fünf Minuten. „Ich vernähe es ganz ästhetisch, sodass keine Narbe bleibt“, sagt er. Dann warte ich auf die Tetanusspritze. Jens Uthoff